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Vujcic (EZB) - Zinssenkungen idealerweise im kleinen Schritten

11.01.2024
um 17:57 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) will aus Sicht von Kroatiens Notenbank-Chef Boris Vujcic vor ersten Zinssenkungen erst noch Lohndaten aus dem ersten Quartal abwarten.

Diese seien sehr wichtig für die EZB, sagte das Ratsmitglied am Donnerstag dem Finanznachrichtenportal MNI. "Wir haben Zeit um abzuwarten, was passieren wird," sagte der Währungshüter mit Blick auf die im Frühjahr anstehenden Tarifrunden in vielen Ländern der Euro-Zone. "Wir werden definitiv die Lohnverhandlungen im ersten Quartal sehen wollen, wo sich die Löhne einpendeln werden." Wichtige Informationen dazu dürften den Währungshütern nach Expertenschätzungen voraussichtlich im Mai vorliegen.

Die Auswirkungen der Energie- und Lebensmittelpreise auf die Inflation seien fast verschwunden, sagte Vujcic. Die Dienstleistungen stünden nun im Fokus. Und hier seien vor allem die Lohnentwicklungen wichtig. In Deutschland sind derzeit einige Tarifkonfikte noch ungelöst. So stockt beispielsweise der in den einzelnen Regionen geführte Tarifkonflkikt für die rund 3,1 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel. In dieser Woche hat zudem die Gewerkschaft GDL der Lokführer zu einem mehrtägigen Streik bei der Bahn aufgerufen.

FRÜHERES HANDELN MÖGLICH

Vujcic zufolge könnte die EZB bei den Zinsen aber auch rascher handeln. "Wenn wir natürlich einen schnelleren Rückgang der Inflation sehen als vorhergesagt (...) können wir natürlich auch früher handeln", sagte er. Aber auch ein Vorgehen in eine andere Zinsrichtung sei nicht völlig ausgeschlossen. Aus seiner Sicht sollte sich die EZB auf jeden Fall in Schritten von jeweils 0,25 Prozentpunkten bewegen. Schritte im Umfang von 0,50 Prozentpunkten seien aber auch möglich, falls dies gerechtfertigt sein sollte. In einer idealen Welt würde die EZB aber gerne graduell und kontinuierlich in eine Richtung voranschreiten, sobald die Inflation sich auf dem gewünschten Pfad befinde, merkte Kroatiens Notenbank-Gouverneur an.

Anleger an der Börse gehen momentan davon aus, dass die EZB dieses Jahr mehrmals die Zinsen senken wird, wobei der erste Schritt bereits im März oder im April erwartet wird. Diese Erwartungen stehen im Konflikt mit den Äußerungen einer Reihe von EZB-Währungshütern. Vujcic bereiten diese unterschiedlichen Erwartungen aber keine allzugroßen Sorgen, wie er in der Fragerunde sagte. Am Geldmarkt wird derzeit mit einer Whrscheinlichkeit von 34 Prozent davon ausgegangen, dass die EZB den Einlagensatz bereits im März um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent senken wird. Für die Zinssitzung im April wird die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritts bereits mit 59 Prozent taxiert.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)