Reuters

Ampel will bis Sommer Reformpaket für Landwirtschaft beschließen

15.01.2024
um 16:42 Uhr

- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die tagelangen Proteste der Bauern und eine Großkundgebung in Berlin zeigen Wirkung: Die Spitzen der Ampel-Fraktion kündigten am Montag nach einem Gespräch mit Landwirten an, bis zum Sommer ein Gesamtpaket zur Förderung der Landwirtschaft in Deutschland beschließen zu wollen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach dabei ausdrücklich von einer "Entlastung" der Branche. Die Bundesregierung werde ihre beschlossene schrittweise Kürzung der Subventionen für Agrar-Diesel aber nicht zurücknehmen, hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuvor auf der zentralen Kundgebung der Landwirte am Brandenburger Tor gesagt. Der Chef des Bauernverbandes, Joachim Rukwied kündigte an, die Bauern würden ihre tagelangen Proteste nun unterbrechen. Sie wollten nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsauschusses im Bundestag an diesem Donnerstag entscheiden, ob es kommende Woche weitere Blockaden gibt. Die Landwirte bestehen auf einer kompletten Rücknahme der Kürzungen.

Die Polizei sprach von gut 8500 Teilnehmern bei der Kundgebung am Brandenburger Tor, an der neben Bauern auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung und Vertreter der Gastronomie-Branche teilnahmen. Rukwied sprach von 30.000 Teilnehmern. Es kam wie schon zuletzt zu erheblichen Verkehrsbehinderungen durch tausende Trecker und Lastwagen.

AMPEL GEHT AUF BAUERN ZU

Die Ampel-Fraktionen würden am Donnerstag zusätzlich zur Bundestagsdebatte über den Agrarbericht einen Entschließungsantrag einbringen, der "eine Art Fahrplan" vorsehe, wie man strukturelle Fragen für die Landwirtschaft angehen werde, kündigte Mützenich an. Bis zur Sommerpause werde man "klare strukturelle Entscheidungen" treffen, die der Landwirtschaft Planungssicherheit geben werde und sie entlaste. Mützenich, die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann und FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatten sich nach der Demo 90 Minuten lang mit Vertretern mehrerer landwirtschaftlicher Verbände beraten. Diese kritisierten danach übereinstimmend, dass es so lange gedauert habe, bis die Ampel erkenne, dass sie etwas für die Landwirte tun müsse. Die Entscheidung über die Kürzung der Subventionen für Agrar-Diesel sei gerade angesichts der Tatenlosigkeit deshalb ein Schock gewesen, sagten einige Teilnehmer. Alle betonten, dass Fehler in der Agrarpolitik aber auch von vorangehenden Regierungen gemacht worden seien.

Lindner und Dürr hoben einen Bürokratieabbau zur Entlastung der Bauern hervor. "Ich kann Ihnen heute nicht mehr staatliche Hilfe versprechen aus dem Bundeshaushalt", sagte der Finanzminister auf der Großkundgebung, auf der er ausgebuht wurde. Es könne aber mehr Freiheiten für Betriebe geben und weniger Bürokratie. Es sei zudem die richtige Zeit, über die hohen Umweltstandards für Landwirte zu sprechen. Denkbar sei auch, schwankende Gewinne von Betrieben besser bei der Einkommenssteuer zu berücksichtigen. Dürr sprach sich in der ARD dafür aus, Bürokratielasten und Auflagen etwa beim Pflanzenschutz abzubauen sowie den Stopp für Flächenstilllegungen zu verlängern.

Haßelmann sagte nach dem Gespräch, man habe nicht nur bei den Landwirten habe sparen müssen, sondern habe wegen der Haushaltszwänge erhebliche Einsparungen in allen zentralen Politikfeldern wie Soziales, Familie, humanitäre und internationale Verpflichtungen vorgenommen. "Wir haben die Gesamtverantwortung im Blick behalten", sagte sie zu dem Vorwurf, dass es die Landwirte mit der Subventionskürzung besonders hart treffe. Ziel der Reform müsse sein, dass das erwirtschaftete Einkommen aus der Arbeit stärker in den Landwirtschaftsbetrieben auf den Höfen bleiben könne. Haßelmann erwähnte in diesem Zusammenhang die Macht der Lebensmittelkonzerne.

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) hatte im Deutschlandfunk gefordert, die Bundesregierung müsse mit dem Kartellrecht gegen Handelsketten vorgehen. Es gebe vier Großkonzerne, die 85 Prozent der Bevölkerung versorgten. "Der Weizenpreis oder der Milchpreis ist um ein Drittel gefallen", fügte Backhaus mit Blick auf das Geld hinzu, das die Erzeuger erhalten. "Und an der Ladentheke sind die Preise gestiegen. Wer steckt sich denn hier das Geld in die Tasche? Es ist doch vollkommen klar."

(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)