Davos/Gaza-Stadt/Tulkarm (Reuters) - UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos eindringlich ein Ende der Kämpfe im Gaza-Krieg gefordert.
Israel und der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas warf er in einer Rede am Mittwoch vor, das Völkerrecht zu ignorieren. Die Kriegsparteien würden die Genfer Konventionen mit Füßen treten und sogar gegen die Charta der Vereinten Nationen (UN) verstoßen. Guterres nutzte die Bühne auf dem internationalen Treffen von Spitzenvertretern aus Politik und Wirtschaft in dem Schweizer Nobel-Skiort, um seine Forderung nach einer "sofortigen humanitären Waffenruhe im Gazastreifen" und einem Friedensprozess für eine Zwei-Staaten-Lösung zu bekräftigen. Auch US-Außenminister Antony Blinken sprach sich für die Schaffung eines Palästinenser-Staates als Teil einer Friedenslösung aus.
Die Welt unternehme nichts, während Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, getötet, verstümmelt, bombardiert und aus ihrem Zuhause vertrieben würden und ihnen der Zugang zu humanitärer Hilfe verweigert werde, sagte Guterres. Nötig sei eine umgehende Waffenruhe und ein Prozess, der zu einem nachhaltigen Frieden für Israelis und Palästinensern führe, basierend auf der Zwei-Staaten-Lösung. Blinken bezeichnete den Konflikt als "herzzerreißend". Was gebraucht werde, sei ein palästinensischer Staat, "der den Menschen gibt, was sie wollen, und mit Israel zusammenarbeitet, um effektiv zu sein", sagte er bei dem Treffen in den Schweizer Bergen. "Das Leid bricht mir das Herz", sagte Blinken. "Die Frage ist, was zu tun ist."
BESCHUSS VON FELDLAZARETT IN CHAN JUNIS GEMELDET
Die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas gingen indes weiter. Die israelische Armee tötete nach eigenen Angaben im südlichen Gazastreifen sechs palästinensische Kämpfer. Darunter sei auch der für Verhöre mutmaßlicher Spione zuständige Offizier der Hamas im Süden des Küstengebiets, teilte das Militär mit. In Chan Junis im Süden des Gazastreifens rückte die israelische Armee weiter mit Panzern vor. Dabei wurde nach Angaben der jordanischen Armee ein von ihr errichtetes Feldlazarett durch israelischen Beschuss in der Umgebung schwer beschädigt. Dies sei ein "eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht", für den Israel verantwortlich sei, erklärte die jordanische Armee.
Nach palästinensischen Angaben wurden bei israelischen Luftangriffen in der Nähe des Nasser-Krankenhauses in Chan Junis sieben Menschen getötet und mehrere Häuser beschädigt. Die israelische Armee erklärte, sie sei aus dem Gebiet unter Beschuss geraten. Die Hamas bestreitet Vorwürfe, Krankenhäuser für militärische Einsätze zu nutzen.
Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden binnen 24 Stunden 163 Palästinenser bei israelischen Angriffen getötet. 350 Palästinenser seien verletzt worden. Insgesamt sind den Angaben zufolge seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 24.448 Palästinenser getötet und 61.504 verletzt worden. Bei dem Hamas-Überfall waren in Israel 1200 Menschen getötet und 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden.
Die israelische Armee meldete zwei weitere getötete Soldaten, womit sich deren Zahl seit Beginn der Bodenkämpfe auf 193 erhöhte. Sie hat bei den Kämpfen im Gazastreifen nach eigenen Angaben 9000 Hamas-Kämpfer getötet.
Auch im besetzten Westjordanland geht Israel weiter verstärkt gegen Palästinenser vor. Bei einem Luftangriff auf ein Auto in Balata nahe der Stadt Nablus sei eine "Terrorzelle" ausgeschaltet worden, teilte das israelische Militär mit. Fünf Palästinenser seien getötet worden, darunter auch der Chef einer "terroristischen Infrastruktur", der mit seiner Gruppe einen Anschlag geplant habe. Die Fatah-Organisation von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas, teilte mit, dass die fünf Getöteten zu ihr gehörten, auch der von Israel als Chef einer Extremistenzelle genannte Abdullah Abu Schalal sei darunter. Nur wenige Stunden später wurden bei einem israelischen Luftangriff in der Stadt Tulkarm vier Palästinenser getötet, wie der Palästinensische Rote Halbmond mitteilte.
(Bericht von Gabrielle Tétrault-Farber, Alexander Smith, Nidal al-Mughrabi, Arafat BarbakhAli Sawafta, Dan Williams, Suleiman Al-Khalidi, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)