- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - In den Schlussberatungen über den Bundeshaushalt 2024 hat die Ampel-Koalition ihre Kürzungspläne nochmals abgeschwächt.
SPD, Grüne und FDP verzichten nun darauf, bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) 5,2 Milliarden Euro über die Jahre 2024 bis 2027 einzusammeln, wie ihre Haushälter am Donnerstag mitteilten. Auch eine Aussetzung der Schuldenbremse für die Fluthilfe Ahrtal war vom Tisch. Zum Schließen der Finanzierungslücke wird stattdessen eine unerwartet hohe Rücklage aus dem Jahr 2023 herangezogen. Die Opposition begrüßte dies. "Das sind zwei positive Signale, dass man sich nicht wieder auf einen Risikoweg begibt", attestierte Unions-Chefhaushälter Christian Haase (CDU) der Ampel. An den Kürzungen beim Agrar-Diesel hält die Ampel fest.
Der Haushaltsausschusses des Bundestages legte in der traditionellen Bereinigungssitzung letzte Hand an die Etatplanung für 2024. Dabei wurden die Einzelpläne aller Ressorts durchforstet, zum Teil in Anwesenheit der jeweiligen Ministerinnen und Minister. Dabei werden auch Änderungen an den Regierungsentwürfen beschlossen. Auf Antrag der Ampel-Fraktionen wurden etwa die verschärften Sanktionen im Bürgergeld gegen sogenannte Totalverweigerer auf zwei Jahre befristet.
INSIDER: KOALITION PLANT ZWÖLF MRD EURO FÜR AKTIENRENTE
Weitere Beschlüsse standen am frühen Abend noch aus. Die Ampel wollte nach Angaben aus der Koalition auch noch zwölf Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für die Aktienrente in den Etat einstellen. Für dieses sogenannte Generationenkapital und eine Garantie des Rentenniveaus bei 48 Prozent eines Durchschnittslohns wollen Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im ersten Quartal ein Gesetzespaket vorlegen. Wegen der fehlenden Rechtsgrundlage hatte die Koalition 2023 ursprünglich geplante zehn Milliarden Euro für die Aktienrente wieder gestrichen.
Die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt soll 2024 erstmals seit 2019 wieder greifen. Die Kredite für die Aktienrente fallen nicht unter die Schuldenbremse, da sie als finanzielle Transaktion eingestuft werden. Laut Schuldenbremse könnte der Spielraum für die Nettokreditaufnahme nach Angaben aus der Koalition bei etwas unter 23 Milliarden Euro liegen. Genaue Berechnungen wollte das Finanzministerium am Abend vorlegen.
Auf der Tagesordnung stand auch das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz, mit dem die Koalition Lücken in der Etatplanung für 2024 schließen will. Geplant sind etwa eine Anhebung der Luftverkehrsteuer wie auch Einsparungen im Bürgergeld und beim Agrar-Diesel.
HÖHERE RÜCKLAGE AUS 2023 ERLEICHTERT ETAT-PLANUNG 2024
Die Ampel wollte die BA ursprünglich verpflichten, mit einer Zahlung von 1,5 Milliarden Euro den Bundeshaushalt 2024 zu entlasten. Bis 2027 wären es insgesamt 5,2 Milliarden Euro gewesen. "Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken", sagte Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler unter Verweis auf die Anhörung von Sachverständigen. Daher verzichte die Koalition darauf. Die Lücke werde nun ebenso wie die Ahrtal-Fluthilfe in Höhe von knapp 2,7 Milliarden Euro aus der hohen Rücklage aus 2023 finanziert. Diese hatte der Ampel einen unerwarteten Geldsegen von 6,3 Milliarden Euro beschert.
Am Dienstag war bekanntgeworden, dass 2023 etwas mehr eingenommen und weniger ausgegeben wurde als geplant. Daher musste Lindner weniger Geld aus der Asylrücklage abziehen, die nach der Flüchtlingszuwanderung 2015 angehäuft worden war. Ende 2022 betrug sie noch 48,2 Milliarden Euro. Davon wurden 2023 rund 37,5 Milliarden Euro zur Etatfinanzierung aufgezehrt.
CDU-Haushälter Haase warf der Koalition vor, sie sei insgesamt mit dem Haushaltsentwurf auf dem falschen Weg. Die Union habe daher über 60 Anträge für sogenannte Maßgabeschlüsse vorgelegt. "Wir haben natürlich zu den einzelnen Punkten auch eine politische Meinung", sagte Haase. "Wir würden den Haushalt anders aufstellen, wie die Ampel das jetzt gemacht hat."
An der schrittweisen Abschaffung der Steuerhilfen beim Agrar-Diesel über drei Jahre bis Ende 2026 hält die Koalition fest. "Der Kompromiss steht", sagte Kindler mit Blick darauf, dass die Regierung ihre ursprünglichen Kürzungspläne bereits reduziert hatte. Der Deutsche Bauernverband kündigte weitere Proteste an, wenn die Ampel die Kürzung nicht komplett streicht.
(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)