- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Mit zweimonatiger Verspätung hat die Ampel-Koalition den Bundeshaushalt für 2024 festgezurrt.
In der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses schwächten SPD, Grüne und FDP ihre Kürzungspläne am Donnerstag nochmals ab. Zum Schließen der durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgerissenen Finanzierungslücke wird stattdessen vor allem eine unerwartet hohe Rücklage aus dem Jahr 2023 herangezogen. Die Schuldenbremse soll erstmals seit 2019 wieder greifen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kann dennoch bis zu 39 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen. Der Bundestag soll den Etat am 2. Februar verabschieden.
SPD-Chefhaushälter Dennis Rohde sprach von einem "Konsolidierungshaushalt" nach der hohen Neuerschuldung in der Corona-Pandemie und zur Bewältigung der Energiekrise als Folge des Ukraine-Krieges. Unions-Chefhaushälter Christian Haase (CDU) sprach von einem "kleinen Happy End nach einem chaotischen Verfahren". Positiv sei, dass die Ampel nicht in die Kasse der Bundesagentur für Arbeit (BA) greife und auf die Aussetzung der Schuldenbremse zur Finanzierung der Fluthilfe Ahrtal verzichte.
Lindner zeigte sich überzeugt, dass die Schuldenbremse halten werde. Er könnte sich gegenwärtig keine Aussetzung vorstellen, sagte der FDP-Chef Reuters in Davos. "Momentan sehe ich nichts, was das rechtfertigen könnte." Die Regierungsspitzen hatten sich im Dezember allerdings eine Aussetzung offengehalten, wenn die Lage in der Ukraine unerwartete Mehrausgaben erfordern sollte. Für den Haushalt 2024 wurde die Ukraine-Militärhilfe auf rund acht Milliarden Euro verdoppelt.
Der Bundeshaushalt sieht nun nach den Reuters vorliegenden Abschlussberechnungen Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro vor. Davon gelten 70,5 Milliarden Euro als Investitionen, zu denen allerdings auch die Erhöhung des Eigenkapitals der Bahn und Kredite von zwölf Milliarden Euro für den Kapitalstock einer Aktienrente gezählt werden. Beides wird nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Diese finanziellen Transaktionen erhöhen den laut Schuldenbremse zulässigen Spielraum für neue Schulden um gut 16,9 Milliarden Euro auf eine maximal zulässige Nettokreditaufnahme von 39,028 Milliarden Euro, die vollständig ausgeschöpft werden soll.
KOALITION SCHWÄCHT SPARPLÄNE AB
Die Koalition verzichtet nun darauf, bei der Bundesagentur für Arbeit 5,2 Milliarden Euro über die Jahre 2024 bis 2027 einzusammeln. "Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken", sagte Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. Die Lücke werde nun ebenso wie die Ahrtal-Fluthilfe in Höhe von knapp 2,7 Milliarden Euro aus der hohen Rücklage aus 2023 finanziert. Diese hatte der Ampel einen Geldsegen von 6,3 Milliarden Euro beschert.
Die Höhe der Rücklage stand erst am Dienstag nach dem Haushaltsabschluss des Finanzministeriums fest. In der Koalition wurde Unmut geäußert, dass Lindner zunächst Spardruck hin zu unpopulären Beschlüssen aufgebaut habe, obwohl nun mehr Geld in der Kasse sei. An den Kürzungen beim Agrar-Diesel hält die Ampel fest. Der Bauernverband hatte weitere Proteste ab Montag angekündigt, wenn die Ampel das Vorhaben nicht zurücknimmt.
Der Abschluss der Haushaltsberatungen war ursprünglich bereits Mitte November vorgesehen. Einen Tag vorher strich das Bundesverfassungsgericht der Regierung aber 60 Milliarden Euro, die die Ampel-Koalition verfassungswidrig aus Corona-Krediten in den Klima- und Transformationsfonds übertragen hatte. Die Regierung musste daher den Haushalt für 2024 neu planen und eine zunächst auf 17 Milliarden Euro bezifferte Lücke schließen. Dazu dienen etwa eine Anhebung der Luftverkehrsteuer wie auch Einsparungen im Bürgergeld und beim Agrar-Diesel.
Der Haushaltsausschuss beschloss weitere Änderungen am Regierungsentwurf. So wurden noch zwölf Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für die Aktienrente in den Etat eingeplant. Für dieses sogenannte Generationenkapital und eine Garantie des Rentenniveaus bei 48 Prozent eines Durchschnittslohns wollen Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im ersten Quartal ein Gesetzespaket vorlegen. Wegen der fehlenden Rechtsgrundlage hatte die Koalition 2023 ursprünglich geplante zehn Milliarden Euro für die Aktienrente wieder gestrichen.
Auf Antrag der Ampel-Fraktionen wurden etwa die verschärften Sanktionen im Bürgergeld gegen sogenannte Totalverweigerer auf zwei Jahre befristet. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wurde eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt für ein weiteres Förderprogramm für den Neubau energieeffizienter, kleiner Wohnungen, für die ein Mietpreiskorridor im unteren Drittel des Mietspiegels festgeschrieben werden soll. Für 2024 sind zehn Millionen Euro vorgesehen, aber Geywitz darf Ausgaben für die kommenden Jahre von bis zu einer Milliarde Euro eingehen.
(Bericht von Holger Hansen; Redigiert von Birgit Mittwollen; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)