Peking (Reuters) - De-Risking, maue Konjunktur, hohe Kreditkosten: Ausländische Unternehmen haben 2023 erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt weniger in China investiert.
Deren Direktinvestitionen summierten sich auf nur noch 1,13 Billionen Yuan (146 Milliarden Euro), wie das Handelsministerium am Freitag in Peking mitteilte. Dies entspricht einem Rückgang von 8,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Es ist damit das erste Minus seit 2012.
Die Entwicklung kommt nicht völlig überraschend: Viele westliche Regierungen halten Unternehmen dazu an, nicht alles auf die Karte China zu setzen, sondern Investitionen breiter zu streuen. Stattdessen wird verstärkt in Schwellenländer investiert, die dem Westen gegenüber freundlicher eingestellt sind - etwa Indien. Diese Strategie wird auch De-Risking genannt. Die Bundesregierung hatte im Juli 2023 eine solche Strategie für den Umgang mit China vorgelegt. Sie strebt eine größere Unabhängigkeit der Wirtschaft an.
"2024 WIRD NOCH SCHLIMMER"
Hinzu kommt, dass Chinas Konjunktur nicht mehr rund läuft. Besonders die Immobilienkrise belastet das Wachstum, das zuletzt um einiges niedriger ausgefallen ist als vor der Corona-Pandemie. Die Analysten der Großbank UBS rechnen für dieses Jahr mit einem Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 4,6 Prozent, nach 5,3 Prozent 2023.
Experten erwarten, dass der Rückgang der Investitionen keine Eintagsfliege bleiben wird. "2024 wird es noch schlimmer werden", sagte die Chefvolkswirtin für den asiatisch-pazifischen Raum beim Finanzhaus Natixis, Alicia Garcia Herrero. "Ich denke, dass die ausländischen Direktinvestitionen weiter sinken werden."
Ministerpräsident Li Qiangbetonte diese Woche beim Weltwirtschaftsforum, dass die chinesische Wirtschaft offen für Geschäfte sei. Dabei hob er das Potenzial für ausländische Investitionen hervor. Es gelte, Barrieren für die Zusammenarbeit abzubauen. China bleibe fest entschlossen, seine Wirtschaft zu öffnen: Die Entscheidung für eine Investition in den chinesischen Markt sei kein Risiko, sondern eine Chance.
Die zunehmende Konzentration von Präsident Xi Jinping auf die nationale Sicherheit - insbesondere das jüngste harte Vorgehen gegen Beratungsunternehmen - hat aber viele ausländische Unternehmen verunsichert. Sie befürchten zudem, dass der Taiwan-Konflikt eskalieren und westliche Sanktionen nach sich ziehen könnte - ähnlich denen gegen Russland nach dem Überfall auf die Ukraine.
Auch die Kreditkosten für multinationale Unternehmen sind im vergangenen Jahr infolge der Zinserhöhungen etwa durch die US-Notenbank gestiegen. Daher zögerten die Muttergesellschaften chinesischer Tochterunternehmen, ihre Investitionen zu erhöhen, so Analysten.
(Bericht von Joe Cash, geschrieben von Rene Wagner, redigiert von Reinhard Becker.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)