Ankara/Stockholm/Berlin (Reuters) - Das türkische Parlament hat die Aufnahme Schwedens in die Nato gebilligt.
287 Abgeordnete votierten nach einer mehr als vierstündigen Debatte am Dienstagabend für den Beitritt des nordischen Landes zu dem westlichen Militärbündnis, 55 dagegen. Es wird erwartet, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan den Vertrag zum Beitritt in den kommenden Tagen unterzeichnet. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristofferson teilte auf der Plattform X mit, sein Land sei nun einen Schritt näher an der Nato-Mitgliedschaft.
Nato-Chef Jens Stoltenberg begrüßte den Entscheid und forderte Ungarn auf, dem Beispiel zu folgen. "Ich zähle auch darauf, dass Ungarn seine nationale Ratifizierung so schnell wie möglich abschließt", erklärte Stoltenberg noch am Dienstagabend. Alle Verbündeten seien sich auf dem Gipfel in Vilnius einig gewesen, Schweden zu einem Beitritt einzuladen und das Land habe seine Verpflichtungen erfüllt. Schwedens Mitgliedschaft mache die Nato stärker und bedeute mehr Sicherheit.
Schweden war der Türkei in einigen Fragen entgegengekommen. Die Regierung in Ankara störte sich vor allem an der Aufnahme von Mitgliedern der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei in Schweden. Schweden dagegen fehlt für eine Nato-Mitgliedschaft allerdings noch das Ja aus Ungarn. Die Erweiterung der Nato muss von allen 31 Mitgliedsstaaten gebilligt werden, weshalb die Türkei und Ungarn faktisch ein Veto-Recht haben.
In Berlin erklärte die Bundesregierung, sie begrüße den Beschluss des türkischen Parlaments. "Das ist eine wichtige und richtige Entscheidung." Der anstehende Beitritt werde die Nato insgesamt weiter stärken. Man geht davon aus, dass der Beitrittsprozess nun zügig abgeschlossen werden könne.
Schweden hatte ebenso wie Finnland als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine einen Antrag auf Nato-Beitritt gestellt und damit seine langjährige Neutralität aufgegeben. Der Beitritt Finnlands war bereits im April 2023 besiegelt worden, bei Schweden stellte sich Erdogan aber quer. Er hatte dies unter anderem mit dem Vorwurf begründet, Schweden nehme Extremisten der verbotenen Kurden-Arbeiterpartei PKK auf. Als Reaktion darauf führte Stockholm ein neues Gesetz ein, das die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt. Schweden ging ebenso wie Finnland zudem Schritte zur Lockerung von Waffenexporten an die Türkei.
Erdogan machte eine Ratifizierung aber auch von der Zustimmung der USA zum Verkauf von US-F-16-Kampfjets an die Türkei abhängig. Das Weiße Haus unterstützt den Verkauf. Im US-Kongress stößt die Türkei aber auf Widerstand. Begründet wird dies dort mit einer Verzögerung der Nato-Erweiterung und der Menschenrechtslage in der Türkei.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte am Dienstag erklärt, er habe den schwedischen Regierungschef Kristersson zu Verhandlungen über den Beitritt eingeladen. Orban, der eher gute Beziehungen zu Russland pflegt, ließ einen Termin für die Gespräche und mögliche Forderungen zunächst offen.
(Bericht von Hüseyin Hayatsever, Tuvan Gümrükcü, Simon Johnson und Ralf Bode. Redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)