Reuters

Gemischte Reaktion auf Vorschlag für Ringtausch von Taurus-Marschflugkörper

25.01.2024
um 15:37 Uhr

Berlin (Reuters) - Die von Großbritannien ins Gespräch gebrachte Idee eines Ringtauschs von Marschflugkörpern für die Ukraine ist in Deutschland auf ein gemischtes Echo gestoßen.

Scharfe Kritik kam von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Sind wir hier im Kindergarten und machen Ringelreihen oder was?", sagte die FDP-Politikerin am Donnerstag zu Reuters. "Wir brauchen keinen Ringtausch." Die Vorsitzenden des Europa- und Auswärtigen Ausschusses, Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD), äußerten gegenüber Reuters ebenfalls Kritik, bezeichneten einen Ringtausch aber als "zweitbeste Lösung". Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte, er sei in Gespräche des Kanzleramtes nicht eingebunden.

Deutschland will die Taurus-Marschflugkörper mit einer hohen Reichweite derzeit nicht an die Ukraine liefern. Das bestätigte Pistorius gegenüber den Springer-Medien Bild, Welt TV und Politico. Die britische Regierung hatte deshalb vorgeschlagen, der Ukraine mehr Storm-Shadow-Marschflugkörper zu liefern und gleichzeitig deutsche Taurus für die britische Armee zu beziehen. Die Bundesregierung wollte zu dem Vorschlag nicht Stellung nehmen. Das britische Verteidigungsministerium sagte nur, dass man mit Partnern in dem Ziel zusammenarbeite, die Ukraine so gut wie möglich auszustatten.

Großbritannien und Frankreich liefern der Ukraine bereits Marschflugkörper, die etwa Ziele auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim weit hinter der Frontlinie erreichen können. Kanzler Olaf Scholz lehnt dies unter anderem mit dem Hinweis auf eine fehlende Abstimmung mit den USA bisher ab und verwies stattdessen am Mittwochabend erneut darauf, dass Deutschland mehr als die Hälfte der Militärhilfe aller EU-Partner liefere.

Strack-Zimmermann bezeichnete den britischen Vorschlag als "gesichtswahrende Lösung für den Kanzler". Was gebraucht werde, sei umgehend weitere Unterstützung von allen europäischen Ländern, damit die Ukraine sich wirkungsvoll wehren könne. "Frau Strack-Zimmermann hat recht: Der Kanzler muss sich bis Februar bekennen und den Taurus liefern", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul.

"Das Agieren des Bundeskanzlers macht mir große Sorgen", sagte der Grünen-Politiker Hofreiter zu Reuters. "Er sendet wieder einmal das falsche Signal nach Moskau und nährt bei Putin den Glauben, sich langfristig militärisch durchzusetzen." Dennoch sei es zumindest besser, Storm-Shadow-Marschflugkörper zu liefern als gar keine. "Wenn es zu diesem Ringtausch kommt, muss es den Briten am Ende freistehen, selbst über eine Lieferung der Taurus an die Ukraine zu entscheiden", fügte Hofreiters hinzu.

Ein Ringtausch wäre nicht perfekt, aber besser als der Status Quo, sagte auch der SPD-Außenpolitiker Roth zu Reuters. Die Debatte dürfe aber nicht davon ablenken, dass ein paar Dutzend Taurus-Marschflugkörper nicht kriegsentscheidend seien, kontinuierlicher Nachschub an Artilleriemunition und Flugabwehrraketen dagegen sehr wohl. "Europa sollte angesichts der ausbleibenden Hilfe aus den USA sein ganzes Gewicht auf die Ankurbelung der heimischen Rüstungsproduktion legen und gleichzeitig Nachschub für die Ukraine auf dem Weltmarkt einkaufen", sagte Roth. Der außenpolitische Sprecher Nils Schmid nannte den Ringtausch gegenüber Reuters einen "interessanten Gedanken". Es solle alles vorbehaltlos geprüft werden, was der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland helfe.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)