Washington (Reuters) - Die US-Wirtschaft geht mit überraschend viel Rückenwind ins Wahljahr 2024.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von Oktober bis Dezember aufs Jahr hochgerechnet um 3,3 Prozent, wie das US-Handelsministerium am Donnerstag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Plus von 2,0 Prozent gerechnet, nach einem Zuwachs von 4,9 Prozent im Sommer. Im Gesamtjahr 2023 reichte es für ein Wachstum von 2,5 Prozent, nach 1,9 Prozent 2022 - und dies trotz der kräftigen Zinserhöhungen der Zentralbank. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft schrumpfte um 0,3 Prozent. Im November stehen die US-Präsidentenwahlen an, wobei die wirtschaftliche Entwicklung auch bei der absehbaren Neuauflage des Duells zwischen Donald Trump und Amtsinhaber Joe Biden eine wichtige Rolle spielen dürfte.
"Die US-Wirtschaft ist wachstumsseitig weiterhin sehr gut unterwegs", sagte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank und fügte mit Blick auf die gestiegenen Finanzierungskosten hinzu: "Sie wird demnächst aber etwas weniger Schwung zeigen." Selbst wenn die Wirtschaftsaktivität in einem der kommenden Quartale leicht schrumpfen sollte, wäre das kein Beinbruch. Zu einer "sanften Landung" dürfte es allemal reichen, sagte der Experte.
"BREIT ANGELEGT"
Im vierten Quartal waren es erneut die Verbraucher, die die Konjunktur ankurbelten: Ihre privaten Konsumausgaben - die mehr als zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung beitragen - wuchsen um 3,1 Prozent. Die Exporte legten sogar um mehr als sechs Prozent zu, die Investitionen der Unternehmen trotz der hohen Zinsen um 1,0 Prozent. Auch die Staatsausgaben zogen an. "Das Wachstum war breit angelegt", kommentierten die Commerzbank-Volkswirte Bernd Weidensteiner und Christoph Balz.
Zugleich zeigt sich der Arbeitsmarkt robust. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe lag in den vergangenen vier Wochen bei durchschnittlich 202.250. Damit ist die kritische Marke von 270.000 noch sehr weit weg, die eine negative Trendwende am Arbeitsmarkt signalisiert. Allerdings stagnierte das Neugeschäft der US-Industrie vor dem Jahreswechsel nur: Die Bestellungen für langlebige Güter wie Flugzeuge und Maschinen lagen im Dezember auf dem Niveau des Vormonats. Ökonomen hatten mit einem Anstieg um 1,1 Prozent gerechnet, nachdem es im November einen kräftigen Zuwachs von revidiert 5,5 Prozent gegeben hatte.
WANN KOMMT DIE ERSTE ZINSSENKUNG?
Die Notenbank Fed strebt eine weiche Landung an - also eine inflationsdämpfende Abkühlung der Konjunktur ohne tiefgreifende Rezession. Nach Ansicht von US-Ökonomen droht der weltgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr wohl keine Rezession. Rund 91 Prozent veranschlagten eine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent oder weniger, dass die Wirtschaft binnen zwölf Monaten in eine Rezession rutscht. Die Aussicht auf sinkende Zinsen sei von etlichen befragten Firmen als Grund für Optimismus genannt worden, heißt es im aktuellen Konjunkturbericht der Fed. Derzeit liegt der Leitzins in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent, von Reuters befragte Ökonomen rechnen allerdings im zweiten Quartal mit einer Senkung.
Bereits jetzt versucht die US-Regierung angesichts des anstehenden Wahlkampfes, Erfolge medienwirksam herauszustellen und spannt dafür verstärkt Finanzministerin Janet Yellen ein. In geplanten Redeauftritten soll das Infrastruktur-Paket des Demokraten im Umfang von 1,2 Billionen Dollar als leuchtendes Beispiel herausgestellt werden - und auch Investitionen in die Halbleiter-Branche sowie Steuervergünstigungen zum Vorantreiben der Energiewende.
(Bericht von Lucia Mutikani, Rene Wagner, Reinhard Becker, redigiert von Kerstin Dörr - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)