Berlin (Reuters) - Lokführer, Piloten, Flughafen-Mitarbeiter: Im vergangenen Jahr waren die Tarifauseinandersetzungen in Deutschland einer Studie zufolge so hart wie seit langem nicht.
Es sei das konfliktreichste Jahr seit mindestens 2010 gewesen, teilte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Freitag zu seiner Auswertung auf Basis der hauseigenen Tarifdatenbank mit. Auf der siebenstufigen Skala wurde ein Wert von drei Punkten erreicht - 0,8 Zähler mehr als im langjährigen Durchschnitt und mehr als der bisherige Höchstwert von 2015 mit 2,8 Punkten. Die Skala misst, bis zu welcher Stufe ein Konflikt eskaliert: Sie reicht von null Punkten für Verhandlung am Tisch bis hin zu sieben Zählern für Streiks und Aussperrungen.
"Ruppige Verhandlungen" habe es beispielsweise im Handel gegeben. "Zwar eskalierten die Streitereien hier nie weiter als bis zu einem Warnstreik, aber die Verhandlungsrunden wurden ein ums andere Mal ohne Ergebnis abgebrochen", erklärte das IW. "Nach wie vor haben Gewerkschaften und Arbeitgeber hier keine Lösung gefunden." Auch im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sei es zur Sache gegangen. Hier scheiterten die Verhandlungen sogar, es folgte eine Urabstimmung, ehe sich die Parteien dann aber doch ohne Arbeitskampf einigten.
Nach wie vor gestritten wird zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn. "Die GDL setzt im neuen Jahr fort, was wir im Jahr 2023 bereits gesehen haben: Das Gebaren der Tarifparteien verkommt zunehmend zum Klassenkampf", sagte Studienautor und IW-Tarifexperte Hagen Lesch. "Diese Entwicklung sollte uns Sorgen bereiten. Wir brauchen wieder mehr Partnerschaft und konstruktive Gespräche."
Die Konfliktintensität hat den Angaben nach insgesamt zugenommen, also die Summe der Eskalationsstufen in den beobachteten 20 Branchen: Dieser Wert von durchschnittlich 15 Punkten je Konflikt sei so hoch wie nie ausgefallen. 2022 lag er noch bei 5,5 Zählern.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Klaus Lauer - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)