- von Dan Williams und Gabrielle Tétrault-Farber
Jerusalem/geneva (Reuters) - Der israelische Geheimdienst wirft rund 190 Mitarbeitern des UN-Palästinenser-Hilfswerks UNRWA vor, den radikal-islamischen Organisationen Hamas oder Islamischer Dschihad anzugehören.
Das geht aus einem sechs Seiten umfassenden Dossier des Geheimdienstes hervor, das Reuters vorliegt. In dem auf Hebräisch abgefassten Bericht werden elf Beschuldigte namentlich genannt sowie Fotos von ihnen abgebildet. Einigen wird vorgeworfen, an dem Überfall der Hamas auf israelisches Grenzgebiet am 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein, bei dem nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen getötet und rund 250 entführt wurden.
Bei einem der elf namentlich genannten Beschuldigten handelt es sich dem Dossier zufolge etwa um einen Mitarbeiter einer Schule, der seinem Sohn bei der Entführung einer israelischen Geisel geholfen haben soll. Details der angeblichen Hilfen werden nicht genannt. Einem UNRWA-Sozialarbeiter wird unter anderem vorgeworfen, Bewegungen der von den Angreifern benutzten Wagen sowie den Waffennachschub koordiniert zu haben. Ein dritter Palästinenser wird in dem Schriftsatz beschuldigt, am Überfall auf ein Rave-Festival beteiligt gewesen zu sein. Dabei sollen über 360 Feiernde getötet worden sein.
"Anhand von nachrichtendienstlichen Informationen, Dokumenten und Ausweisen, die während der Kämpfe beschlagnahmt wurden, ist es nun möglich, rund 190 Hamas- und Islamischer-Dschihad-Terroristen zu identifizieren, die als UNRWA-Mitarbeiter tätig sind", heißt es in dem Dossier. Demnach soll die Hamas "ihre terroristische Infrastruktur methodisch und bewusst in einer Vielzahl von UN-Einrichtungen und -Vermögenswerten", einschließlich Schulen, installiert haben. Die Hamas bestreitet dies.
Das Dossier wurde Reuters von einem Informanten vorgelegt, dessen Name und Nationalität nicht genannt werden können. Der Informant gab an, das Dossier sei vom israelischen Geheimdienst zusammengestellt und den Vereinigten Staaten übermittelt worden. Palästinenser werfen Israel vor, Informationen gefälscht zu haben, um das UNRWA zu diskreditieren. Das Hilfswerk selbst hat wegen der Vorwürfe einige seiner Mitarbeiter entlassen. Eine Sprecherin sagte Reuters auf Anfrage, sie könne sich aufgrund der laufenden UN-Ermittlungen wegen der Vorwürfe nicht zu dem Dossier äußern.
Über zehn Länder, darunter die Vereinigten Staaten und Deutschland, haben ihre Finanzierung des Hilfswerks wegen der Anschuldigungen eingestellt. Über die Hälfte der 2,3 Millionen Einwohner im Gazastreifen ist auf UNRWA-Hilfen angewiesen.
(Bericht von Dan Williams und Gabrielle Tétrault-Farber, geschrieben von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)