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Deutsche Wirtschaft vor Rezession - "Keine Trendwende in Sicht"

30.01.2024
um 10:47 Uhr

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft bewegt sich am Rande einer Rezession.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte von Oktober bis Dezember um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Hauptgrund dafür sei, dass "deutlich" weniger in Bauten und Ausrüstungen wie etwa Maschinen investiert wurde. In den beiden Vorquartalen hatte es zumindest noch zu einer Stagnation gereicht, Anfang 2023 immerhin zu einem Mini-Plus von 0,1 Prozent. Andere große Euro-Länder schnitten zuletzt weit besser ab: In Frankreich stagnierte die Wirtschaft am Jahresende 2023, während Italien ein Plus von 0,2 Prozent und Spanien sogar von 0,6 Prozent schaffte.

Europas größter Volkswirtschaft droht sogar eine Rezession, sollte sie im laufenden ersten Quartal zum zweiten Mal in Folge schrumpfen. Von Januar bis März dürfte die Wirtschaftsleistung nach Prognose des Ifo-Instituts um 0,2 Prozent sinken. "Damit würde die deutsche Wirtschaft in der Rezession stecken", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. In nahezu allen Wirtschaftsbereichen klagten die Unternehmen über eine sinkende Nachfrage, während die dicken Auftragspolster aus der Corona-Zeit abgeschmolzen seien und die hohen Zinsen bremsten. "Zusätzlich wird die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet", sagte Wollmershäuser. Dazu zählten der hohe Krankenstand, die Streiks bei der Deutschen Bahn sowie der außergewöhnlich kalte und schneereiche Januar. Der Ifo-Geschäftsklimaindex signalisierte zum Jahresstart eine beschleunigte Talfahrt: Das Barometer rutschte auf den schlechtesten Wert seit Mai 2020.

"IM DÄMMERZUSTAND"

"Derzeit sieht es so aus, als ob die deutsche Wirtschaft den Dämmerzustand zwischen Rezession und Stagnation nicht so schnell verlassen wird", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Im Gesamtjahr 2023 gab das deutsche BIP um 0,3 Prozent nach. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut rechnet mit einem erneuten Minus in dieser Höhe für das laufende Jahr. "Es ist keine Trendwende in Sicht", sagte dessen wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien.

Ausgebremst wurde die Konjunktur gleich von mehreren Seiten. Die hohe Inflation dämpfte die Kaufkraft der privaten Haushalte, die sich deshalb mit dem Konsum zurückhielten. Die Europäische Zentralbank (EZB) bekämpft die starke Teuerung mit dem höchsten Zinsniveau ihrer Geschichte. Das bekam die Baubranche besonders zu spüren: Sie erlitt einen Nachfrageeinbruch, da für viele potenzielle Häuslebauer der Traum von den eigenen vier Wänden wegen der teuren Finanzierungskosten platzte. Den Exporteuren wiederum machte die schwache Weltkonjunktur zu schaffen.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Klaus Lauer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)