- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Mit einem Schlagabtausch über Einsparungen und Investitionen sind im Bundestag die viertägigen Schlussberatungen über den Bundeshaushalt 2024 angelaufen.
Die Union warf der Koalition aus SPD, Grünen und FDP am Dienstag vor, auf neue Schulden statt auf Sparen zu setzen. "Sie geben weitaus mehr als das aus, was dieses Land erwirtschaftet", sagte Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU). "Wir leben massiv über die Verhältnisse." Finanzminister Christian Lindner entgegnete, es gehe nicht um einen Spar-, sondern einen Gestaltungshaushalt. "Und das macht sich an Zahlen fest", sagte der FDP-Chef. "Wir investieren in Schiene, Straße und digitale Netze auf Rekordniveau."
Der Etat und das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz sollen am Freitag zum Abschluss der Haushaltswoche beschlossen werden. Vorgesehen sind im Etat Ausgaben von rund 477 Milliarden Euro. Hinzu kommen Milliarden-Aufwendungen aus dem Klima- und Transformationsfonds und dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr. Erstmals seit 2019 soll die Schuldenbremse wieder greifen. Der Bund kann dennoch bis zu 39 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden aufnehmen.
Die Ukraine-Militärhilfe wird im Etat auf rund acht Milliarden Euro verdoppelt. Die Koalition hat sich eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse offengehalten für den Fall, dass im Jahresverlauf ein höherer Bedarf deutlich wird. Mit dem Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetz will die Koalition Lücken schließen, etwa durch eine Anhebung der Luftverkehrsteuer wie auch Einsparungen im Bürgergeld und beim Agrar-Diesel.
AFD WILL UNION FÜR ERNEUTE KLAGE GEWINNEN
Die AfD warf der Koalition vor, sie verstoße wieder gegen die Verfassung. "Wir beantragen auch gegen diesen Haushalt erneut eine Verfassungsklage", sagte AfD-Haushälter Peter Boehringer. "Wir appellieren besonders an die CDU, mit uns zusammen die notwendigen 25 Prozent dieser Normenkontrollklage aufzubringen." Mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht hatte die Union 2023 erreicht, dass der Koalition 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) gestrichen wurde, die die Ampel verfassungswidrig auf den Fonds übertragen hatte. Das Urteil riss auch Lücken im regulären Etat auf, sodass der Etat erst mit zweimonatiger Verspätung beschlossen wird.
"Ihr Haushalt ist weit von einer Sparanstrengung oder einem Sparhaushalt entfernt, um das ganz klar zu sagen", sagte Unions-Fraktionsvize Middelberg. Er forderte Einsparungen beim Personal der Bundesministerien, beim Bürgergeld und in der Asylpolitik. Unions-Haushälter Christian Haase sagte: "Wir alle wissen doch, das dicke Ende wird in diesem Jahr kommen. Im nächsten Jahr für den Haushalt 2025 fehlen 20 bis 30 Milliarden Euro."
Vertreter der Ampel wiesen die Kritik zurück und warfen der Union vor, keine konkreten Vorschläge zu machen. "Im Kern ist das Arbeitsverweigerung, was die Union hier macht", sagte Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. SPD-Haushälter Dennis Rohde sagte, die Ampel kürze keine Sozialleistungen: "Wir opfern den Sozialstaat in dieser Situation nicht, wir stärken ihn." FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer warf Middelberg vor, in seiner Rede sei "nichts an Substanz (...), inwieweit Sie dieses Land auf Kurs halten wollen".
Während Kindler für eine Modernisierung der Finanzierungsregeln warb, um noch mehr Investitionen zu ermöglichen, wandte sich Lindner gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse im Grundgesetz. "Man kann nicht Gebote der Verfassung aus- und einschalten wie einen Lichtschalter", sagte Lindner im ARD-Fernsehen. Die Einhaltung der Schuldenbremse sei zudem ökonomisch vernünftig: "Das ist ein Gebot der Klugheit. Denn sonst müssten wir irgendwann Sparpakete schnüren oder die Steuern erhöhen, nur für die Schulden der Vergangenheit."
Die sogenannten Wirtschaftsweisen legten am Dienstag Vorschläge für eine Reform der Schuldenbremse vor. Damit würden zukunftsgerichtete öffentliche Ausgaben ermöglicht und der Übergang nach einer Notlage geregelt, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen auszuhöhlen, erklärte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
(Mitarbeit: Christian Krämer, René Wagner.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)