Zürich (Reuters) - Die Pleite der österreichischen Immobiliengruppe Signa stürzt die Privatbank Julius Bär in Turbulenzen.
Nach hohen Kreditverlusten und einer Halbierung des Jahresgewinns muss Konzernchef Philipp Rickenbacher den Hut nehmen. Die Privatbank dampft einen Teil des Kreditgeschäfts ein und streicht die Boni von Rickenbacher und fünf an den Kreditentscheiden beteiligten Geschäftsleitungsmitgliedern. Mit diesen Maßnahmen hofft Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen, die das Vertrauen in den nach der UBS zweitgrößten Schweizer Vermögensverwalter für reiche Privatkunden angekratzt hat.
"Im Namen des gesamten Verwaltungsrats drücke ich mein tiefes Bedauern aus, dass die vollständige Wertberichtigung des größten Engagements in unserem Private-Debt-Geschäft unseren Konzerngewinn für 2023 signifikant beeinträchtigt hat", erklärte Lacher am Donnerstag. Die Bank schreibe die Kredite an eine nicht genannte Unternehmensgruppe im Volumen von 586 Millionen Franken vollständig ab. Insidern zufolge handelt es sich dabei um Signa. "Mit diesem äußerst konservativen Schritt beseitigen wir alle Unsicherheiten für unsere Aktionäre und Stakeholder sowie die Bedenken über mögliche weitere Auswirkungen auf die Finanzlage von Julius Bär in der Zukunft", erklärte Lacher weiter.
Das Schweizer Geldhaus gehört zu den größten Kreditgebern der Immobiliengruppe des Tiroler Investors Rene Benko. Signa ist das bisher prominenteste Opfer der Immobilienkrise in Europa. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die Signa Holding im Sanierungsverfahren die Eigenverwaltung zurückgibt und damit ein Sanierungsverwalter das Ruder übernimmt.
Bär wolle das sogenannte Privat-Debt-Geschäft, das sehr reichen Kunden Finanzierungen gegen zukünftige Cash Flows und nicht börsennotierte Wertpapiere zur Verfügung stellt, im Volumen von weiteren 0,8 Milliarden Franken bis 2026 vollständig abwickeln. Herkömmliche Hypotheken- und Lombardkredite sollen dagegen im Angebot bleiben. "Es gab zwar keine Verstöße gegen interne oder externe Regeln und Vorschriften, aber wir haben das Risiko im Zusammenhang mit diesem besonderen Engagement falsch eingeschätzt", sagte Lacher.
"EINLAGEN BLIEBEN SEHR, SEHR STABIL"
Die Wertberichtigung führte bei dem Zürcher Geldhaus für 2023 zu einem Gewinnrückgang von 52 Prozent auf 454 Millionen Franken. Analysten hatten mit gut 800 Millionen Franken Gewinn gerechnet. Bär sehe keine Anzeichen, dass Kunden als Folge der Kreditverluste Geld abziehen würden, sagte Finanzchefin Evie Kostakis. "Nach den Nachrichten über das größte Private-Debt-Engagement im November und Dezember gab es weitere Zuflüsse, und unsere Einlagen blieben sehr, sehr stabil."
Im Gesamtjahr sammelte die Bank unter dem Strich 12,5 Milliarden Franken an frischem Geld ein. Damit erreichte das Nettoneugeld 2,9 Prozent des Bestandes. Zum Jahresende verwaltete Bär damit 427 Milliarden Franken. Bär profitierte früheren Angaben zufolge auch vom Untergang der Credit Suisse.
Lacher wollte sich nicht direkt zur Frage äußern, ob die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma Druck auf einen Wechsel an der Firmenspitze gemacht habe. Der Präsident erklärte, der Rücktritt sei eine Entscheidung des Verwaltungsrates und Rickenbachers. "Wir sind unseren Berichtspflichten nachgekommen und haben unsere Entscheidungen natürlich mit unserer Aufsichtsbehörde, der Finma, besprochen." Die Finma erklärte, die Behörde stehe im Zusammenhang mit Signa seit einiger Zeit in engem Kontakt mit verschiedenen beaufsichtigten Instituten und habe frühzeitig Maßnahmen ergriffen.
Der Verwaltungsrat von Julius Bär leitete eine externe Suche für die Nachfolge Rickenbachers ein. "Dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte Lacher. Bis ein neuer Konzernchef antrete, übernehme der stellvertretende CEO Nic Dreckmann das Steuer. David Nicol, der im Verwaltungsrat den Governance- und Risikoausschuss leitet, trete bei der nächsten Generalversammlung zurück.
Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalbank, begrüßte die personellen Konsequenzen aus dem Signa-Debakel. Dieser Schritt hätte aber schon viel früher geschehen müssen. "Der Reputationsschaden ist immens, da sich das Institut immer als reine Privatbank vermarktet hat." An der Börse legten die Bär-Aktien mehr als vier Prozent zu.
(Bericht von Oliver Hirt und Noele Illien; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)