- von Andreas Rinke und Kate Abnett
Brüssel (Reuters) - Angesichts massiver Bauernproteste signalisieren Regierungen und EU-Kommission Kompromissbereitschaft.
Etliche EU-Regierungschefs äußerten am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels Verständnis für die Kundgebungen. Irlands Regierung kündigte Widerstand gegen das EU-Mercosur-Handelsabkommen an. Bauernverbände fürchten Preisdruck durch erleichterte Agrarimporte aus Lateinamerika. Die EU-Kommission hatte bereits in den vergangenen Tagen Ausnahmen bei Umweltauflagen für Landwirt angekündigt und will Konkurrenz durch ukrainischen Getreideimporte verringern.
Bauern aus mehreren Ländern blockierten am Donnerstag Straßen in Brüssel. Der Platz vor dem EU-Parlament war mit Traktoren gefüllt. Die Landwirte errichteten Lagerfeuer und schossen Feuerwerkskörper ab. Einige wenige warfen Eier auf das Gebäude. Nach Schätzungen der Polizei waren Bauern mit rund 1000 Traktoren an den Blockaden beteiligt. Der Ablauf des EU-Gipfels war davon aber nicht betroffen, in dessen Mittelpunkt unter anderem Hilfen für die Ukraine stehen.
Etliche EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Mittwochabend das Agrarthema diskutiert, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban traf sich auch mit Bauern. Landwirte in mehreren Ländern protestieren seit Wochen gegen Sprit- und Düngerpreise, Auflagen im Umweltschutz und außereuropäische Konkurrenz. Führende Politiker treibt die Sorge um, dass die Proteste rechtsnationalistische Parteien Wähler bei der Europawahl Anfang Juni zutreiben könnten.
Belgiens Ministerpräsiden Alexander de Croo begrüßte, dass die EU-Kommission die Ausnahmen von Auflagen verlängert hat. Dabei geht es um stillgelegte Ackerflächen für den Umweltschutz. "Besser wäre, das nicht nur für ein Jahr zu verlängern", sagte er. Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar forderte, dass die EU solle in den kommenden Jahren darauf verzichten, neue Auflagen zu erlassen. Die Bundesregierung hatte eine Entbürokratisierung versprochen und will bis Sommer entscheiden, wie sie Landwirte entlasten kann.
UKRAINISCHE AGRARIMPORTE STOSSEN AUF WIDERSTAND
Besonders polnische und osteuropäische Bauern hatten in den vergangenen Monaten gegen Agrarimporte aus der Ukraine demonstriert. Sie sehen ihr Geschäft gefährdet, weil Einfuhrzölle auf Lieferungen aus der Ukraine wegen des Krieges ausgesetzt wurden. Die EU ist in einem Zielkonflikt, weil sie eigentlich die durch den Krieg angeschlagene ukrainische Wirtschaft stabilisieren will. Als Zugeständnis an die EU-Bauern schlug die EU-Kommission vor, Agrarimporte aus der Ukraine zu begrenzen. Die Importzölle sollen demnach zwar um ein weiteres Jahr bis Juni 2025 ausgesetzt bleiben. Allerdings könnten auf Produkte wie Geflügel, Eier und Zucker Zölle erhoben werden, wenn davon mehr in die EU importiert werden sollte, als im Schnitt der Jahre 2022 und 2023.
Irland schloss sich dem französischen Widerstand gegen die Ratifizierung des Handelsabkommens der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten an. "Mercosur kann in der jetzigen Form nicht ratifiziert werden", sagte Varadkar. Es sei nicht fair, Agrarimporte aus Ländern zu akzeptieren, die nicht dieselben Umweltauflagen hätten wie die EU. Deshalb seien rechtlich verbindliche Zusagen der Mercosur-Staaten zum Schutz der Umwelt erforderlich. Die Europäische Kommission hatte zuvor angekündigt, dass sie trotz Widerstands auch aus Frankreich weiterhin einen Abschluss des Handelsabkommen mit der Mercosur-Gruppe anstrebe. Der Mercosur-Gruppe gehören Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay an.
(Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)