Reuters

Ungarn auf EU-Gipfel wegen Ukraine-Hilfen unter Druck

01.02.2024
um 12:12 Uhr

- von Andreas Rinke und Jan Strupczewski

Brüssel (Reuters) - Etliche EU-Regierungschefs auf dem EU-Sondergipfel fordern von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban Zustimmung zu Finanzhilfen für die Ukraine.

"Ich bin überzeugt, dass es heute darum geht, eine (einstimmige) Entscheidung zustande zu bringen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstag mit Blick auf die geplante 50-Milliarden-Euro-Hilfe aus dem EU-Haushalt bis 2027. Auch andere Länder drängten darauf, eine Lösung im Kreis aller 27 Regierungen zu finden. Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas warnte Orban vor wirtschaftlichen Nachteilen für sein Land, wenn er nicht einlenke.

Die 26 anderen EU-Regierungen hatten sich im Dezember grundsätzlich darauf geeinigt, bis 2027 der Ukraine 50 Milliarden Euro zu überweisen. Orban, der enge Beziehungen zu Russland unterhält, lehnt aber eine Verankerung im EU-Haushalt ab. Als Grund wird vermutet, dass er erreichen möchte, dass die EU-Kommission weitere Milliarden-Subventionen an Ungarn freigibt, die wegen Verstößen gegen rechtsstaatliche Grundsätze gesperrt sind.

Etliche Regierungschefs wie Kallas sprachen von Erpressung. "Viktor will immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, jedes Mal wenn wir hier sind. Aber das sollte nicht so sein", sagte Kallas. Die ungarische Regierung konterte, dass sie erpresst werden solle und drohte mit einem Scheitern der angestrebten Einigung. Polens Ministerpräsident Donald Tusk warnte, wenn die EU der Ukraine nicht helfe, würden alle das zu spüren bekommen.

Scholz forderte, dass man in der EU-27 füreinander einstehen müsse. Er halte nichts von anderen Konstruktionen, sagte er für den Fall, dass Ungarn seine Zustimmung verweigert. Belgiens Regierungschef Alexander de Croo sagte, er sei zuversichtlich, dass eine Einigung gelingen werde. Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar pochte auf eine Entscheidung noch am Donnerstag. Man könne die Entscheidung nicht Wochen oder Monaten vertagen.

DEBATTE ÜBER MEHR WAFFENHILFE

Auf dem Sondergipfel soll auch über mehr Militärhilfe für die Ukraine beraten werden. "Das ist etwas, worüber heute nicht zu entscheiden ist, aber die Diskussion muss dringend begonnen werden", sagte Scholz, der in den vergangenen Wochen mehrfach mehr Engagement anderer EU-Staaten gefordert hatte. Es gebe in der EU leider keinen Überblick darüber, wer eigentlich was liefere. "Aber wir wissen, dass das, was bisher geplant ist an ganz konkreter Waffenhilfe aus den einzelnen Mitgliedstaaten, alles zusammen nicht genug ist." Scholz verwies darauf, dass Deutschland 2024 mehr als sieben Milliarden Euro an Militärhilfe für die Ukraine eingeplant habe. Alle müssten sich jetzt "unterhaken", damit die Ukraine sich verteidigen könne.

Im Entwurf der Abschlusserklärung wird vorgeschlagen, dass die Mittel der sogenannten European Peace Facility (EPF) um fünf Milliarden Euro erhöht werden sollen. Auf dem EPF werden neben bilateralen Hilfen ebenfalls Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine finanziert. Die EU-Verteidigungsminister hatten sich erneut zu einer verstärkten Lieferung von Munition an das von Russland angegriffene Land bekannt.

Auch andere Regierungschefs forderten mehr Anstrengungen. Die estnische Ministerpräsidentin Kallas setzte sich auch für eine Debatte über die Umgehung von Sanktionen gegen Russland ein. So melde Russland, dass der für die Kriegswirtschaft wichtige Import an Mikrochips zugenommen habe, kritisierte sie. Daran seien auch drei Unternehmen aus Europa beteiligt.

(Mitarbeit: Krisztina Than, Justyna Pawlak; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)