Berlin (Reuters) - Die umstrittene Gruppierung "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (Dava), der eine Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nachgesagt wird, will auch bei der Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres antreten.
"Wir wollen uns erst einmal auf die Europawahlen konzentrieren und schauen, inwieweit wir unser Wählerpotenzial mobilisieren können", sagte Dava-Chef Teyfik Özcan dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Anschließend wollen wir uns bundesweit etablieren. Wir gehen momentan davon aus, dass wir zur Bundestagswahl im kommenden Jahr antreten werden."
Derzeit sei Dava noch eine politische Vereinigung. "Aber es ist längerfristig geplant, Dava in eine Partei umzuwandeln." Eine direkte Verbindung zu Erdogans Partei AKP wies Özcan zurück. "Wir haben keine Kontakte zur Erdogan-Regierung oder zu anderen ausländischen Regierungen", sagte er. Das Bundesinnenministerium wollte sich auf Anfrage inhaltlich nicht zur Dava äußern. Nach dem Grundgesetz sei die Gründung politischer Parteien in Deutschland frei, erklärte ein Sprecher. Er betonte aber: "Etwaige Versuche der Beeinflussung einer Wahl in Deutschland von außen werden nicht hingenommen. Von Spekulationen hierzu sehen wir ab."
Aus der Politik kommen dagegen kritische Stimmen gegen die Dava. "Unsere Sicherheitsbehörden müssen die Dava-Partei ganz genau im Blick behalten. Hier ist höchste Wachsamkeit geboten", sagte der FDP-Rechts- und Innenexperte Stephan Thomae der Nachrichtenagentur Reuters. "Denn die Vermutung liegt nahe, dass diese als Verlängerung der AKP versuchen wird, unter dem Deckmantel der Rechtstaatlichkeit islamistische Ziele durchzusetzen." Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries schrieb auf der Plattform X: "Die Führungsriege der Partei ist der AKP-Lobby, der islamistischen IGMG aber auch dem verbotenen Hamas-Spendensammlerverein IHH zuzuordnen." Erkennbar sei eine Strategie, "Muslime als Opfer einer rassistischen Mehrheitsgesellschaft darzustellen".
"POTENZIAL VON FÜNF MILLIONEN MENSCHEN"
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen schrieb auf X: "Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das Letzte, was wir brauchen." SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte indes, man müsse erst einmal abwarten, ob die Partei in irgendeiner Form relevant werde. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sagte dem RND: "Ich sehe da keinen Grund zur Panik. Eine Partei, die nur nach ethnischen Kriterien gegründet wird und sich nur auf ethnische Fragen konzentriert, hat auch nur eine marginale Funktion."
Dava-Chef Özcan indes ist zuversichtlich: "Wenn ich die ganzen positiven Zuschriften als Indikator nehme, dann gehe ich fest davon aus, dass wir ins Europaparlament einziehen werden." Dava konzentriere sich auf Wählerinnen und Wähler, die sich zu Minderheiten zählten. Allein in Deutschland gebe es demnach ein Wählerpotenzial von fünf Millionen Menschen.
Nach Angaben der Bundeswahlleiterin in Wiesbaden hat die Dava ihre Teilnahmebereitschaft an der Europawahl bereits angezeigt. Bis zum 18. März müssen die Parteien generell und auch die Dava die Formalitäten einreichen, danach entscheidet der Bundeswahlausschuss am 29. März über die Zulassung. An der Europawahl 2024 können neben Parteien auch sonstige politische Vereinigungen teilnehmen. Vom Parteienstatut ausgeschlossen sind unter anderem "politische Vereinigungen, deren Mitglieder oder Vorstandsmitglieder in der Mehrheit Ausländerinnen bzw. Ausländer sind", wie es auf der Internet-Seite der Bundeswahlleiterin heißt.
(Bericht von Katharina Loesche und Alexander Ratz; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)