Reuters

50 Mrd Euro EU-Finanzhilfe für die Ukraine - Orban lenkt auf Gipfel ein

02.02.2024
um 07:32 Uhr

- von Andreas Rinke und Andrew Gray

Brüssel (Reuters) - Die Europäische Union wird die Ukraine bis 2027 mit 50 Milliarden Euro unterstützen.

Darauf einigte sich am Donnerstag der EU-Sondergipfel in Brüssel, nachdem Ungarn überraschend schnell Vorbehalte aufgegeben hatte. Die Hilfen bestehen aus 33 Milliarden Euro an Krediten und 17 Milliarden an Zuschüssen. "Das ist auch eine gute Botschaft in Richtung der USA", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Denn US-Präsident Joe Biden bemühe sich gerade, eine Zustimmung des US-Kongresses für milliardenschwere Militärhilfen für die Ukraine zu bekommen. Biden bedankte sich denn auch nach Angaben eines Sprechers in einem Telefonat bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Schon kurz nach Beginn der offiziellen Beratungen verkündete EU-Ratspräsident Charles Michel die Einigung. Zuvor hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban seinen Widerstand in einer kleinen Runde mit Kanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgegeben, bestätigten mehrere EU-Diplomaten.

Vereinbart wurde, dass die Ukraine-Hilfe nach zwei Jahren überprüft wird - falls die 27 EU-Regierungen allesamt der Meinung sind, dass dies nötig ist. Orban akzeptierte dies als für ihn gesichtswahrende Lösung. Der Ungar konnte sich nicht mit seiner früheren Forderung durchsetzen, dass die von der EU-Kommission eingefrorenen rund 20 Milliarden für sein Land wegen der Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit ausgezahlt werden. In der Gipfelerklärung wird nur betont, dass Ungarn eine faire Behandlung erhalte. Orban deutete nach Angaben von EU-Diplomaten weitere Reformen an, um eine Auszahlung möglich zu machen.

Mit der Einigung steht auch die Anpassung der EU-Haushaltspläne bis 2027. Die 26 EU-Regierungen außer Ungarn hatten sich darauf bereits im Dezember verständigt - auch auf die Einbeziehung der 50-Milliarden-Euro-Hilfe für die Ukraine. Orban, der enge Beziehungen zu Russland unterhält, hatte eine Verankerung im EU-Haushalt bislang dagegen abgelehnt. Die Ukraine erwartet eine erste Tranche von 4,5 Milliarden Euro im März.

Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas hatte Orban zu Beginn des Gipfels vor wirtschaftlichen Nachteilen für sein Land gewarnt, wenn er nicht einlenke. "Er muss sich entscheiden, ob er drinnen oder draußen ist", hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk gesagt.

KEINE ENTSCHEIDUNG ÜBER MEHR MILITÄRHILFE

Auf dem Sondergipfel diskutierten die EU-27 zudem über mehr Militärhilfe für die Ukraine, ohne aber eine Entscheidung zu treffen. In dem Abschlussdokument des Gipfels findet sich auch kein Hinweis auf die von der Kommission vorgeschlagene Erhöhung der sogenannten European Peace Facility (EPF) um fünf Milliarden Euro. Aus dem EPF werden neben bilateralen Hilfen auch Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine finanziert.

Unter anderem die Bundesregierung argumentierte, dass dabei die bilateralen Leistungen angerechnet werden sollen. Sonst müsste Deutschland, das wegen der Größe seiner Volkswirtschaft etwa ein Viertel der Zahlungen in der EU übernimmt, neben der Verdoppelung der bilateralen Militärhilfe für die Ukraine zusätzlich mehr als eine Milliarde Euro nach Brüssel überweisen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU betonten in der Abschlusserklärung aber die "dringende Notwendigkeit", die Lieferung von Munition und Raketen an die Ukraine zu beschleunigen. Man sei entschlossen, das Land weiterhin "rechtzeitig, vorhersehbar und nachhaltig" militärisch zu unterstützen.

In den vergangenen Wochen hatte der Kanzler mehrfach mehr Engagement anderer EU-Staaten gefordert. Es gebe in der EU leider keinen Überblick darüber, wer eigentlich was liefere. "Aber wir wissen, dass das, was bisher geplant ist an ganz konkreter Waffenhilfe aus den einzelnen Mitgliedstaaten, alles zusammen nicht genug ist." Scholz verwies darauf, dass Deutschland 2024 mehr als sieben Milliarden Euro an Militärhilfe für die Ukraine eingeplant habe und weitere Verpflichtungsermächtigungen von mehr als sechs Milliarden Euro. Er zweifelte Zahlen vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell offen an, der von Zusagen von insgesamt 20 Milliarden Euro gesprochen hatte, von denen Deutschland ein Drittel beisteuere. In Wahrheit leiste Deutschland derzeit weiter mehr als die Hälfte, betonte der Kanzler. Deutschland könne die Unterstützung der Ukraine aber nicht alleine stemmen.

Der Sondergipfel wurde von Bauernprotesten begleitet. Macron betonte in Brüssel, er habe von der EU-Kommission Zusicherungen erhalten, dass der Import von ukrainischen Agrarprodukten begrenzt werde.

(Mitarbeit: Krisztina Than, Justyna Pawlak, Sabine Siebold, Piotr Lipinski und Charlotte Van Campenhout. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)