Berlin/Bonn (Reuters) - Ein Streik bei Bus und Bahn legt den öffentlichen Nahverkehr in fast ganz Deutschland weitgehend lahm.
Die Gewerkschaft Verdi hat für Freitag rund 90.000 Beschäftigte von über 130 kommunalen Unternehmen in Städten und Landkreisen mit Ausnahme Bayerns zum Arbeitskampf aufgerufen. Deshalb mussten sich Millionen von Menschen auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit oder Schule eine Alternative suchen. Viele nahmen das Fahrrad, das Auto oder bildeten Fahrgemeinschaften, denn Busse, U- und Straßenbahnen blieben meist im Depot. "In der Regel wird von Betriebsbeginn bis Betriebsende gestreikt - also meist von 3.00 Uhr bis 3.00 Uhr am Samstagmorgen", sagte Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse & Bahnen bei Verdi, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Gewerkschaft streikt für bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Mit dem Arbeitskampf will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber in den einzelnen Bundesländern erhöhen. Verdi argumentiert, die Belastung der Beschäftigten und die Personalnot im ÖPNV hätten immer mehr zugenommen. Es müssten schnell Lösungen für eine Entlastung gefunden werden. Anfang Dezember hatte Verdi die Tarifrunde eingeleitet und Forderungen in allen 16 Bundesländern überreicht. Jeder Tarifbereich hat zwar eigenständige Forderungen. Im Kern geht es aber überall um Themen wie weniger Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, kürzere Schichten, die Verringerung unbezahlter Wegzeiten, ein Ausweiten der Ruhezeiten, mehr Urlaub oder zusätzliche Entlastungstage.
Meist wird ganztägig gestreikt, allerdings mit Ausnahmen. So lief der Betrieb bei der BVG in Berlin ab 10.00 Uhr wieder weiter. Manche Verkehrsbetriebe wie in Aachen oder Mannheim streiken gar nicht, weil es dort Haustarifverträge gibt. In einigen Betrieben im Saarland oder in Rheinland-Pfalz begann der Ausstand bereits am Donnerstagabend. Auch bei den Stadtwerken Bonn ging am Morgen fast nichts. Busfahrer-Betriebsrat Frank Kübler war mit Kollegen bei einer Protestveranstaltung und beklagte eine Forderung der Arbeitgeberseite, "die uns gefühlt ins Mittelalter zurückführt". Denn Ziel sei eine freiwillige 43-Stunden-Woche und das Streichen eines langjährigen Kündigungsschutzes. "Deswegen müssen wir leider streiken", sagte Kübler zu Reuters TV.
VERDI-STREIK BEIM BODENPERSONAL AM FLUGHAFEN HAMBURG
Es gab auch Solidaritätsbekundungen etwa von Linken-Parteichefin Janine Wissler am Rande des Streiks von BVG-Beschäftigten in Berlin. Mehr Busse und Bahnen und ausreichend Personal seien für die Verkehrswende wichtig, erklärte Wissler auf der Plattform X. Auch die Klimaaktivisten von Fridays for Future unterstützen den Arbeitskampf. Aktivistin Luisa Neubauer plädierte ebenfalls in Berlin für bessere Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.
Verdi hatte bereits am Donnerstag den Betrieb an elf deutschen Flughäfen mit einem Streik beim Sicherheitspersonal weitgehend lahmgelegt. Die Gewerkschaft hat zudem für Freitag am Hamburger Flughafen zum Arbeitskampf beim Bodenpersonal aufgerufen, das etwa für die Gepäckabfertigung zuständig ist. Am Airport fielen zwar einige Flüge aus, Grund dafür sei aber nicht der Verdi-Streik, sagte eine Flughafen-Sprecherin. "Die Passagiere reisen mit weniger Koffern, dafür aber mit mehr Handgepäck und das entlastet uns."
(Bericht von Klaus Lauer, Oliver Barth, Claudia Dörries, Stephane Nitschke und Andi Kranz; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)