Berlin (Reuters) - Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen nach eigenen Angaben gemeinsam eine Steuerreform für Unternehmen und weitere Erleichterungen für die Wirtschaft angehen.
In der Frage der Finanzierung zeigten sich beide Politiker am Wochenende aber uneins. "Wir müssen mehr tun für Wachstum und wirtschaftliche Dynamik", sagte Habeck der "Welt am Sonntag". Er arbeite gern mit Lindner an einem "Dynamisierungspaket". Damit griff er einen Vorschlag des Finanzministers auf. "Wir können und wir müssen nun etwas tun, nachdem dieser Stein ins Rollen gebracht worden ist", erwiderte Lindner am Sonntag in der ARD.
Der Grünen-Politiker verwies in der ARD jedoch darauf, dass die Finanzierung völlig offen sei. Derzeit blockierten die Bundesländer sogar ein Entlastungspaket der Bundesregierung für die Unternehmen im Umfang von rund acht Milliarden Euro, betonte er. Mit Verweis auf den Vermittlungsausschuss fügte Habeck hinzu: "Am Ende werden da wahrscheinlich drei Milliarden rauskommen, also es wird noch kleiner, quasi homöopathisch."
"Auch ich sehe, dass wir in der Summe eine Unternehmensbesteuerung haben, die international nicht mehr wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich genug ist", hatte der Grünen-Politiker der "Welt am Sonntag" gesagt. "Genau deshalb sollten wir überlegen, wie wir zum Beispiel Steuererleichterungen, Steueranreize für Investitionen in der Perspektive finanzieren, um die Kräfte wirklich zu entfesseln." Konkret nannte er in der ARD die Möglichkeit, die Abschreibungen für schnelle Investitionen in neue Produktionsanlagen vorzuziehen und zu erhöhen.
WOHER SOLL DAS GELD KOMMEN IM ETAT 2025?
Die Ampel-Koalition streitet aber weiter über die Finanzierung. So verwies der Grünen-Politiker darauf, dass schon die vom FDP-Chef vorgeschlagene Streichung des Solidaritätszuschlages ein erhebliches zusätzliches Loch in den Haushalt 2025 reißen würde. Dabei hatte Lindner zuvor gesagt, dass die Haushaltsverhandlungen für den Etat 2025 in der Ampel ohnehin noch schwieriger würden als die für 2024. Habeck relativierte seinerseits seine am Donnerstag geäußerte Idee, man könnte die Unternehmenssteuer von rund 30 auf 25 Prozent senken. "Das würde - grober Daumen - knapp 30 Milliarden Euro jährlich kosten", sagte er.
Nach Kritik von Lindner an seiner Idee eines schuldenfinanzierten Investitionsfonds ruderte Habeck zurück. "Es geht nicht darum, einen konkreten Vorschlag durchzusetzen, sondern aus der Sprachlosigkeit zu kommen", sagte er. Habeck hatte am Donnerstag im Bundestag ein sogenanntes Sondervermögen ins Spiel gebracht, um die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft zu lösen. Der Vizekanzler forderte alle Parteien einschließlich der Union auf, sich nicht an Parteitagsbeschlüssen, sondern der Notwendigkeit der Wirtschaft in Deutschland zu orientieren.
LINDNER WILL DYNAMISIERUNGSPAKET
Lindner hatte ein "Dynamisierungspaket" vorgeschlagen. Dazu zählten mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt und die Reduzierung der Bürokratie. "Die steuerlichen Anreize im Wachstumschancengesetz für Investitionen und Forschung sollten wir in Richtung einer Unternehmensteuerreform ausdehnen", hatte Lindner hinzugefügt. "Wenn der Wirtschaftsminister und der Finanzminister beide der Meinung sind, es muss sich an der Wirtschaftspolitik dieses Landes etwas ändern, dann kann das nicht ohne Folgen bleiben."
Lindner bekräftigte, er halte nichts davon, "Subventionen auf Pump" an Unternehmen zu geben. "Wir wollen ja, dass die Unternehmen den Staat finanzieren und nicht der Staat die Unternehmen." Wenn an den Steuersätzen etwas getan werden sollte, sei der einfachste und schnellste Weg, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) begrüßte, dass Habeck sich für eine Steuerreform aussprach. "Es ist gut, wenn die Bundesregierung ihre bisherige Wirtschaftspolitik an wichtigen Stellen ändern will", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der "Welt". Entscheidend sei, dass Unternehmen wieder Vertrauen in den Standort Deutschland gewännen. Gerade in Zeiten der Transformation in Richtung Klimaneutralität seien deutlich mehr private Investitionen notwendig.
Auch aus der Union kam Zustimmung: "Endlich erkennt der Wirtschaftsminister die unverhältnismäßig hohen Belastungen der deutschen Unternehmen an", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem "Handelsblatt". Die Abwanderung ins Ausland, die bei vielen Firmen zu beobachten sei, müsse "durch eine spürbare Unternehmenssteuerreform gestoppt werden". Zudem müssten bürokratische Fesseln gelockert werden.
(Bericht von Reinhard Becker, Andreas Rinke, Elke Ahlswede und Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)