Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert zurückhaltend auf Vorstöße zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen.
Der SPD-Politiker forderte am Montagabend, sich auf die Durchsetzung des Wachstumschancengesetzes zu konzentrieren, das derzeit im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beraten wird. "Darauf sollte man sich konzentrieren. Das ist praktisch, anfassbar und wirkt schnell", sagte er in Berlin. Zuvor hatten Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) eine Debatte über die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags und einen schuldenfinanzierten Investitionsfonds begonnen.
Scholz äußerte die Hoffnung, dass die Bundesländer dem Wachstumschancenpaket im Vermittlungsausschuss zustimmen, das nach den Planungen der Ampel-Koalition eine Entlastung für die Unternehmen in Höhe von sieben bis acht Milliarden Euro vorsieht. Allerdings hatte Habeck gewarnt, dass die Länder das Entlastungvolumen auf drei Milliarden Euro reduzieren könnten - was nach seinen Worten einer homöopathischen Wirkung gleichkomme.
Grund für den Widerstand von Ländern und Kommunen ist, dass sie den Großteil der Einnahmeausfälle aus den geplanten steuerlichen Entlastungen für Firmen tragen müssten. "Es ist geradezu empörend, dass von den angekündigten sieben Milliarden Euro Entlastung für die Wirtschaft nun vielleicht nur drei Milliarden Euro oder gar noch weniger realisiert werden", kritisierte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der Union, Wolfgang Steiger.
Mit Blick auf die lahmende Konjunktur hatten sowohl Habeck als auch Lindner mehr Hilfe für die Unternehmen gefordert - aber dazu unterschiedliche Vorstellungen geäußert. Lindner schlug etwa eine Abschaffung des Solidarzuschlages vor, was auch Firmen entlasten würde. In Regierungskreisen hieß es dazu jedoch, dass das Volumen von rund zwölf Milliarden Euro im Etat 2025 kaum zu finanzieren sei. Dort klaffe laut Schätzungen ohnehin schon eine Finanzierungslücke von 25 Milliarden Euro.
Habeck hatte einen kreditfinanzierten Sonderfonds für Investitionen vorgeschlagen, war nach Kritik der FDP aber wieder zurückgerudert. Er regte am Sonntag in der ARD auch bessere Abschreibungsbedingungen an, um schnell den Anstoß für Investitionen in neue Produktionsanlagen zu geben. Es müsse vor allem um Anreize für private und öffentliche Investitionen gehen, sagte am Montag Grünen-Co-Parteichefin Ricarda Lang. "Eine Abschaffung des Solis würde das aus meiner Sicht nicht tun", sagte Lang. "Das würde vor allem einen Mitnahmeeffekt erzeugen. Und ich habe bisher auch noch keinen Vorschlag zur Gegenfinanzierung gehört."
Wirtschaftsverbände fordern, dass die Regierung etwas zur Ankurbelung der Konjunktur und wegen des internationalen Wettbewerbs etwas für den Standort Deutschland tun müsse. Dass sowohl Habeck als auch Lindner sich für eine Entlastung einsetzten, hatte zunächst Hoffnungen geweckt, dass die Ampel-Koalition ihre interne Blockade überwindet.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Verena Hubertz, schlug einen Staatsfonds für Investitionen vor, der auch privates Kapital oder Geld von Pensionskassen für Investitionen einsammeln soll. "Nicht alle Schulden sind schlechte Schulden", sagte sie im Deutschlandfunk zu Ideen einer Reform der Schuldenbremse, damit mehr Kredite für Investitionen aufgenommen werden können. Der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Leif-Erik Holm, forderte Steuerentlastungen für Unternehmen. Im Gegenzug solle die Regierung Ausgaben für Klimaschutz kürzen.
(Bericht von Andreas Rinke und Holger Hansen, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)