- von Nidal al-Mughrabi und Samia Nakhoul und Andrew Mills
Doha (Reuters) - Die radikale Hamas schlägt eine Waffenruhe von 135 Tagen im Gazastreifen vor und reagiert damit auf einen Plan der Vermittler aus Katar und Ägypten.
In drei Phasen von jeweils 45 Tagen sollen nach Vorstellungen der Hamas alle verbliebenen Geiseln im Gegenzug für die Entlassung palästinensischer Gefangener freikommen. Zudem sollen das israelische Militär abziehen und eine Vereinbarung zur Beendigung des seit Anfang Oktober währenden Krieges erzielt werden. Die israelische Regierung hat zunächst nicht öffentlich auf den Reuters am Mittwoch vorliegenden Gegenvorschlag reagiert. Sie hat allerdings bereits mehrfach erklärt, dass sie nicht willens ist, ihre Soldaten aus dem Palästinensergebiet abzuziehen, solange die Hamas nicht ausgelöscht ist.
Die Hamas hat ihre eigenen Vorschläge inmitten intensiver diplomatischer Bemühungen um eine anhaltende Waffenruhe und mehr Hilfe für die Menschen vorgelegt, die zu Hunderttausenden in den Süden des Gazastreifens geflohen sind. So kam US-Außenminister Antony Blinken in der Nacht zu Mittwoch in Israel an, wo er mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beraten wollte. Zuvor hatte er Vermittler aus Katar und Ägypten zu Gesprächen getroffen. Die diplomatischen Bemühungen und ein vergangene Woche unterbreiterer Plan zielen im Kern auf eine längere Waffenruhe und die Freilassung der von der Hamas und dem Islamischen Dschihad festgehaltenen Geiseln ab. Bislang gab es nur eine kürzere Waffenruhe Ende November. Sie dauerte eine Woche.
HAMAS-PLAN IN DREI PHASEN ZU JE 45 TAGEN
Die Einzelheiten des Gegenvorschlags der Hamas wurden bislang nicht bekanntgegeben. Nach dem Reuters vorliegenden Entwurf für den dreistufigen Plan der Hamas soll es in einer ersten Phase indirekte Gespräche zwischen ihr und Israel geben. Deren Ziel sei das Ende des Militäreinsatzes und die Wiederherstellung der Ruhe. Zudem sollen Krankenhäuser und Flüchtlingslager im Gazastreifen wiederaufgebaut werden. Die israelischen Truppen sollen aus den besiedelten Gebieten abgezogen werden, heißt es in dem Papier. Alle weiblichen Geiseln, männliche Geiseln unter 19 Jahren, sowie kranke und ältere Menschen sollen freigelassen werden. Im Gegenzug sollen palästinensische Frauen und Kinder aus israelischen Haftanstalten entlassen werden.
Mit der Umsetzung der zweiten Phase soll erst begonnen werden, wenn beide Seiten "indirekte Gespräche über die Voraussetzungen abgeschlossen hätten, die erforderlich sind, um die gegenseitigen Militäreinsätze zu beenden und zur völligen Ruhe zurückzukehren". Dann sollen alle übrigen männlichen Geiseln freigelassen werden. Das israelische Militär soll komplett aus dem Gazastreifen abgezogen werden.
In einer dritten Phase sollen Tote und die sterblichen Überreste Getöteter ausgetauscht werden. Die Waffenruhe würde auch die Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen erhöhen, die unter Hunger und einem gravierenden Mangel an Grundversorgung leidet.
HOFFEN AUF EIN ECHTES ABKOMMEN UND EIN ENDE DES KRIEGES
"Die Menschen sind optimistisch und beten gleichzeitig, dass aus dieser Hoffnung ein echtes Abkommen wird, das den Krieg beendet", sagte Jamen Hamad, ein Vater von vier Kindern, der in einer UN-Schule in Deir Al-Balah im zentralen Gazastreifen lebt. "Die Leute warten auf die Nachricht von einer Waffenruhe, sie sind trotz der anhaltenden Bombardierung ein wenig hoffnungsvoll", sagte er Reuters über eine Messaging-App.
Die Hamas und mit ihr verbündete radikale Gruppen hatten am 7. Oktober überraschend den Süden Israels überfallen. Nach israelischen Angaben wurden dabei 1200 Menschen getötet und insgesamt 253 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. 110 wurden während der einwöchigen Feuerpause Ende November freigelassen. 31 der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sind nach Angaben des israelischen Militärs vom Dienstag tot.
Auf den Überfall der Hamas hat das israelische Militär umgehend mit massiven Angriffen aus der Luft und von der See aus reagiert und setzt auch Bodentruppen ein. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen wurden seit Beginn der israelischen Angriffe rund 27.600 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Viele Menschen werden vermisst. Es wird befürchtet, dass sie unter den Trümmern zerstörter Gebäude begraben liegen.
(geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)