Reuters

Netanjahu lehnt Hamas-Vorschlag für Feuerpause ab - UN warnt vor Katastrophe

08.02.2024
um 08:12 Uhr

Jerusalem/Doha (Reuters) - Die Bemühungen um eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung israelischer Geiseln sind vorerst gescheitert.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnte am Mittwoch den Vorschlag der radikal-islamischen Hamas für einen Stopp der Kämpfe ab. Nur ein totaler Sieg werde es Israel erlauben, Sicherheit wiederherzustellen, sagte er in Jerusalem. "Wir sind auf dem Weg zum totalen Sieg, der Sieg ist in Reichweite." Er sei eine Frage von Monaten. Für die Hamas rief deren führender Vertreter Osama Hamdan umgehend alle Fraktionen des palästinensischen Widerstands dazu auf, die Konfrontationen fortzusetzen. Er kündigte zudem an, Hamas-Unterhändler Chalil al-Hajja werde nach Kairo reisen, um mit Ägypten und Katar weiter über eine Feuerpause zu verhandeln.

Die Hamas hatte am Dienstagabend ihren Gegenvorschlag zu einem Entwurf der amerikanischen und israelischen Spionagechefs übermittelt, der Hamas vergangene Woche von katarischen und ägyptischen Vermittlern übergeben worden war. Demnach sollte eine Waffenruhe von 135 Tagen vereinbart werden. In drei Phasen von jeweils 45 Tagen sollten alle verbliebenen Geiseln im Gegenzug für die Entlassung palästinensischer Gefangener freikommen. Zudem sollte das israelische Militär abziehen und eine Vereinbarung zur Beendigung des seit Anfang Oktober währenden Krieges erzielt werden.

NETANJAHU: KOLLAPS DER HAMAS IST ALTERNATIVLOS

Es gebe keine Alternative zum militärischen Kollaps der Hamas, sagte Netanjahu. Zur Befreiung der im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln sei anhaltender militärischer Druck nötig. Der israelische Regierungschef lehnte es auch ab, palästinensische Flüchtlinge in Israel aufzunehmen. Die Feinde Israels wüssten, dass dafür eine Lösung gefunden werden müsse - ob diplomatisch oder militärisch.

Derzeit konzentrierten sich die Kämpfe auf Chan Junis und Rafah im Süden des Gazastreifens. Dorthin sind Hunderttausende Vertriebene geflüchtet. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich am Mittwoch alarmiert über Berichte, Israel plane Angriffe auf die Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten. "Ein solcher Vorstoß würde das, was bereits ein humanitärer Alptraum ist, exponentiell erhöhen. Die regionalen Folgen sind unvorstellbar", warnte er und forderte erneut einen Waffenstillstand und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln.

BEMÜHUNGEN VON BLINKEN GESCHEITERT

Damit scheinen auch die Bemühungen von US-Außenminister Antony Blinken gescheitert, der mit einer Blitz-Reise in vier Länder einen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln erreichen wollte. Bislang gab es nur eine kürzere Waffenruhe Ende November. Sie dauerte eine Woche. In den USA spielt der Gazakrieg eine zunehmend wichtigere Rolle im beginnenden Wahlkampf um die Präsidentschaft.

Die Hamas und mit ihr verbündete radikale Gruppen hatten am 7. Oktober überraschend den Süden Israels überfallen. Nach israelischen Angaben wurden dabei 1200 Menschen getötet und insgesamt 253 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. 110 wurden während der einwöchigen Feuerpause Ende November freigelassen. 31 der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln sind nach Angaben des israelischen Militärs vom Dienstag tot.

Auf den Überfall der Hamas hat das israelische Militär umgehend mit massiven Angriffen aus der Luft und von der See aus reagiert und setzt auch Bodentruppen ein. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen wurden seit Beginn der israelischen Angriffe rund 27.600 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Viele Menschen werden vermisst. Es wird befürchtet, dass sie unter den Trümmern zerstörter Gebäude begraben liegen.

(Bericht von Nidal al-Mughrabi, Andrew Mills, Samia Nakhoul, Humeyra Pamuk und Bassam Massoud, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)