Reuters

Preise in China im Sinkflug - Regierung im Kampf gegen Deflation gefordert

08.02.2024
um 10:57 Uhr

Peking (Reuters) - In China sind die Preise zu Jahresbeginn so stark gefallen wie seit über 14 Jahren nicht mehr und schüren damit Sorge vor einer konjunkturschädlichen Deflationsspirale.

Die Verbraucherpreise sanken im Januar zum vierten Mal in Folge, wie aus am Donnerstag veröffentlichten Daten des nationalen Statistikamtes (NBS) hervorgeht. Der Rückgang war mit 0,8 Prozent der stärkste seit September 2009. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich ein Minus von 0,5 Prozent erwartet. Die Lage scheint brisant: Während bei einem Großteil der Industrieländer die hohe Inflation an der Kaufkraft der Verbraucher nagt, begünstigt die Deflation in China die Konsumzurückhaltung und kann eine konjunkturell verheerende Abwärtsspirale in Gang setzen.

Wenn sich Verbraucher in Erwartung weiter sinkender Preise dauerhaft zurückhalten, wird die gesamte Wirtschaft in einem Strudel aus sinkenden Preisen, fallenden Löhnen und Investitionszurückhaltung nach unten gezogen. "China muss schnell aggressive Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass sich deflationäre Erwartungen bei den Verbrauchern festsetzen", mahnte Zhiwei Zhang, Investmentexperte von Pinpoint Asset Management.

Die Volksrepublik hat seit dem Ende der Corona-Eindämmungsmaßnahmen Ende 2022 Schwierigkeiten, an die konjunkturell starke Zeit von vor der Pandemie anzuknüpfen. Neben einer weiter schwelenden Immobilienkrise im Inland lasten auch die Probleme der Exporteure auf der Konjunktur. An den Börsen Chinas kam es angesichts der nicht bewältigten Immobilienkrise und der Schuldenrisiken der lokalen Regierungen zu einem Ausverkauf. Die Führung in Peking stemmte sich jüngst gegen die Entwicklung: Staatlich unterstützte Investoren weiteten ihre Aktienkäufe aus, und zugleich grenzten die Behörden Nettoverkäufe und Leerverkäufe etwa von Fonds ein.

"NOTENBANK SOLLTE STÄRKER STÜTZEN"

Mit der wackeligen Konjunkturerholung hat die Regierung in Peking eine wohl noch größere Baustelle zu bearbeiten. Die Wirtschaft wuchs im Jahr 2023 zwar um 5,2 Prozent und erreichte damit das offizielle Ziel von rund fünf Prozent. Doch die Erholung verlief holprig, insbesondere der Konsum kommt nicht aus dem Knick.

Das offizielle Wachstumsziel für das laufende Jahr wird zur Eröffnung des Nationalen Volkskongresses erwartet - der jährlichen Parlamentstagung des kommunistisch regierten Landes. Falls wie bereits 2023 ein Plus von rund fünf Prozent angestrebt werden sollte, wäre dies aus Sicht vieler Beobachter recht ambitioniert - selbst wenn Regierung und Notenbank der Wirtschaft erneut Konjunkturspritzen verpassen sollten.

Die Notenbank hatte erst jüngst den Reservesatz für Geschäftsbanken (RRR) gesenkt - und zwar um einen halben Prozentpunkt. Mit der Senkung wird rund eine Billion Yuan (umgerechnet rund 128 Milliarden Euro) an Liquidität für das Finanzsystem freigesetzt. Die Zentralbank sollte stärkere geldpolitische Unterstützung leisten", meint Ökonom Carlos Casanova von der Privatbank Union Bancaire Privee. "Wir würden es lieber sehen, wenn es im Februar zu breit angelegten Zinssenkungen käme. Aber das bleibt angesichts des mangelnden geldpolitischen Spielraums und der Probleme beim Wirkmechanismus unwahrscheinlich."

Das Dilemma für die Notenbank besteht darin, dass zur Konjunkturförderung gedachte Zinssenkungen den Preisverfall beschleunigen könnten. Experten verweisen darauf, dass ein Großteil der Kredite in den Infrastruktursektor und auch in Überkapazitäten fließt, wodurch sich weiterer Deflationsdruck aufbauen könne.

(Bericht von Qiaoyi Li und Ryan Woo; geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Kerstin Dörr)