Reuters

Schweißarbeiten am transatlantischen Pfeiler - Scholz bei Biden

08.02.2024
um 12:22 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag im Weißen Haus US-Präsident Joe Biden trifft, ist die Agenda der beiden zumindest auf zwei Feldern klar: Wie können die USA und die EU gemeinsam erreichen, dass die Ukraine sich im Abwehrkampf gegen Russland behaupten kann?

Und wie kann die israelische Regierung dazu gebracht werden, mit dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung eine Perspektive auf Frieden im Nahen Osten zu akzeptieren? Auch wenn das Gespräch nur auf eine Stunde angesetzt ist, gilt die persönliche Abstimmung in Berlin als so wichtig, dass sich Scholz extra für einen sehr kurzen Besuch in Washington auf den Weg gemacht hat. Letztlich geht es um gemeinsame Schweißarbeiten an einem brüchig wirkenden transatlantischen Fundament. Dieses soll notfalls auch die Belastung durch eine Wiederwahl des früheren Präsidenten Donald Trump aushalten. Allerdings hat Scholz am Freitag noch eine zweite Mission: Er will angesichts der lahmenden Wirtschaft für den Investitionsstandort Deutschland werben.

Dabei haben sich noch vor Abflug die Aussichten verdüstert, dass Scholz dem US-Präsidenten Biden Rückenwind in dem Streit um das milliardenschwere Militärpaket für die Ukraine geben kann. Der US-Senat lehnte bereits am Mittwoch im ersten Anlauf ein Kombi-Paket ab, das neben der Hilfe für die Ukraine auch Militärhilfe für Israel und ein Grenzschutzprogramm umfasste.

Noch vor Abflug warb Scholz aber mit dem Hinweis auf die großen Leistungen auch der Europäer für ein gemeinsames Vorgehen. Wenn die USA als Hauptunterstützer der Ukraine ausfallen, könne Deutschland dies nicht ausgleichen, warnt er seit Tagen. Im "Wall Street Journal" verweist er nun darauf, dass die EU noch vor den USA mit Abstand größter Financier der Ukraine sei - mit 84,4 Milliarden Euro. Und Deutschland habe seit Kriegsbeginn Militärhilfe von 28,3 Milliarden Euro geleistet oder fest zugesagt. Dies soll etwa die Kritik von Trump entkräften, Europa engagiere sich nicht genug. Gerade mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl Trumps will Scholz mit Biden aber auch die Nato stärken, um der Gefahr vorzubeugen, dass Trump die Axt an das transatlantische Verteidigungsbündnis anlegen könnte. Deshalb soll der Nato-Gipfel im Juli ein Signal der transatlantischen Geschlossenheit werden.

Weiteres großes Thema wird die Abstimmung über das Vorgehen im Nahost-Konflikt sein. Die USA und Deutschland stehen am engsten an der Seite Israels im Kampf gegen die radikal-islamische Hamas. Aber sowohl Biden als auch Scholz haben in den vergangenen Tagen mehrfach klar gemacht, dass Israels Regierung beim Krieg im Gazastreifen nicht über das Ziel hinausschießen dürfe. Gemeinsam ist die Sorge, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auch mit einem militärischen Losschlagen im Libanon liebäugeln könnte.

Weil die deutschen Konjunkturdaten so düster sind, rückt aber ein weiterer Aspekt des Treffens immer mehr in den Vordergrund: Scholz will bei amerikanischen Unternehmenschefs am Freitagmorgen dafür werben, dass Deutschland ein guter Investitionsstandort ist - und dass die Zukunft aller Volkswirtschaften aus Klimaschutzgründen in einer Wasserstoff-basierten Produktion liegt. Verweisen kann er dabei auch auf US-Großinvestitionen im Halbleiter- und Batteriebereich - die allerdings mit milliardenschweren Subventionen der Bundesregierung gefördert werden. In Regierungskreisen hieß es, man wolle auch die Stimmung der Unternehmen zum US-Subventionspaket für klimafreundliche Technologien (IRA) testen. Es gebe den Hinweis, dass das Programm an Anziehungskraft für Investitionen in den USA verliere, weil Unternehmen unsicher sind, ob ein möglicher Präsident Trump die milliardenschweren Subventionen nicht deutlich kürzen würde.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)