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Jurist - Einbindung von "Tiergartenmörder" in Putin-Deal rechtlich möglich

09.02.2024
um 13:12 Uhr

Berlin (Reuters) - Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angedeutete Einbindung des in Deutschland inhaftierten sogenannten "Tiergartenmörders" in einen Gefangenenaustausch ist einem Experten zufolge rechtlich möglich.

Nach Paragraf 456a der Strafprozessordnung sei es theoretisch machbar, dass von einer Vollstreckung des Vollzugs "bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung in das Ausland abgesehen werden kann", sagte der Professor für Strafrecht mit Internationalem Strafrecht der Universität Hamburg, Kai Cornelius, am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Nachdem also eine solche ausländerrechtliche Entscheidung getroffen wurde, kann die Vollstreckungsbehörde (also die Staatsanwaltschaft) von einer Vollstreckung absehen."

Nach den von den Ländern erlassenen Richtlinien sei zwar regelmäßig die Hälfte der Strafe abzusitzen. Eine feste Mindestverbüßungsdauer bestehe aber selbst bei lebenslangen Freiheitsstrafen und besonderer Schwere der Schuld nicht. Da eine solche Entscheidung keine Einbindung eines unabhängigen Gerichts, sondern nur der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft verlange, "ist rechtlich ein gangbarer Weg gegeben", sagte Cornelius, der auch Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht ist.

Ob es klug sei, sich auf ein solches Geschäft einzulassen, stehe aber auf einem anderen Blatt. "Schließlich handelt es sich um einen Fall, in dem neben der Verwirklichung des Mordes auch noch die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde", sagte der Jurist. "Schwerer kann ein Urteil nach deutschem Recht nicht sein."

Putin zeigte sich in einem Interview mit dem US-Moderator Tucker Carlson offen für die Freilassung des in Russland inhaftierten amerikanischen Journalisten Evan Gershkovich ("Wall Street Journal"). Er sitzt seit fast einem Jahr wegen angeblicher Spionage in Haft. Putin deutete an, dass er im Gegenzug die Freilassung des in Deutschland inhaftierten Wadim Krasikow wünscht - namentlich nannte Putin ihn allerdings nicht. Krasikow ist 2021 in Berlin zu lebenslanger Haft für den Mord im Tiergarten an einem Georgier 2019 verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die russische Regierung hinter der Tat steckt.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)