Reuters

EU-Lieferkettengesetz kommt vorerst nicht - Abstimmung verschoben

09.02.2024
um 14:37 Uhr

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die EU hat die für diesen Freitag geplante Abstimmung über ein europaweites Lieferkettengesetz kurzfristig verschoben.

Das Thema sei von der Agenda der Ständigen Vertreter der 27 EU-Staaten genommen worden, teilte die belgische Ratspräsidentschaft mit. Die Abstimmung solle zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Einem EU-Diplomaten zufolge ist dafür der kommende Mittwoch vorgesehen.

Auslöser der Verschiebung ist die im Vorfeld angekündigte Enthaltung Deutschlands. Diese wirkt de facto wie ein Nein, weil die Stimmen dann beim Versuch fehlen, die nötige Mehrheit zu erzielen. Erforderlich ist ein Ja von 15 der 27 EU-Staaten, die zudem mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen.

Die Ampel-Regierung hatte keinen Konsens gefunden und wollte sich daher bei der Abstimmung enthalten. SPD und Grüne waren für eine Zustimmung, die FDP dagegen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, es sei extrem bitter, dass das Vorhaben wegen Deutschland auf der Kippe stehe. "Deutschland muss der Lieferketten-Richtlinie bei der nächsten Sitzung zustimmen." Die FDP bekräftigte dagegen ihre Kritik: "Deutschland ist offensichtlich mit seinen Bedenken alles andere als allein", schrieb FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner auf der Kurznachrichtenplattform X. Die Regelungen müssten praktikabel und mittelstandsfreundlich werden, ergänzte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler.

Mit der Richtlinie sollen Unternehmen europaweit für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht genommen werden, etwa Menschenrechtsverstöße wie Kinderarbeit oder Verstöße gegen Umweltauflagen. Die Wirtschaft kritisiert, dass die EU-Vorgaben weit über das in Deutschland bereits geltende Gesetz hinausgehen und zusätzliche Bürokratie bedeuten. Entsprechend begrüßten der Arbeitgeberverband BDA und der Großhandelsverband BGA die Verschiebung. Die Ziele seien zwar richtig, die Richtlinie aber handwerklich schlecht gemacht, so der BGA. Am Ende käme eine Flut von Fragebögen auf Unternehmen zu. Das schade der Wettbewerbsfähigkeit und sorge nicht für ein breiteres Fundament an Zulieferern.

Angewendet werden sollen die Vorgaben auf EU-Firmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Konzernumsatz von über 150 Millionen Euro. In Risikosektoren - also der Textilbranche, Agrarwirtschaft und Lebensmittelindustrie - sollen auch Betriebe ab 250 Beschäftigten einbezogen werden. Bei Verstößen sollen Strafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes fällig werden.

Sollte die erforderliche Mehrheit nächste Woche noch zustande kommen, müsste das Europäische Parlament am Ende grünes Licht geben. Letzteres gilt als wahrscheinlich. Wie das Stimmungsbild bei der Vertretern der 27 EU-Länder am Freitag genau war, blieb unklar. Der EU-Diplomat sagte, die Enthaltung Deutschlands könnte andere Staaten auch zur erneuten Bewertung bewogen haben.

(Bericht von Christian Krämer, Philip Blenkinsop und Charlotte Van Campenhout, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)