Reuters

Börsianer bewerten Konjunkturlage schlecht wie zuletzt 2020

13.02.2024
um 12:47 Uhr

Berlin (Reuters) - Börsianer bewerten die Konjunkturlage in Deutschland so schlecht wie seit der Corona-Rezession 2020 nicht mehr - rechnen aber mit einer Besserung.

Das Barometer für die aktuelle Situation fiel im Februar um 4,4 auf minus 81,7 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag zu seiner monatlichen Umfrage unter 167 Analysten und Anlegern mitteilte. Das ist der tiefste Stand seit Juni 2020. "Die deutsche Wirtschaft steht nicht gut da", sagte deshalb ZEW-Präsident Achim Wambach.

Die Aussicht auf sinkende Zinsen lässt immer mehr Börsenprofis auf eine Besserung hoffen. Das Barometer für die Einschätzung in den kommenden sechs Monaten stieg um 4,7 Punkte auf 19,9 Zähler. Das ist bereits der siebte Anstieg in Folge, womit das Barometer nunmehr auf dem höchsten Stand seit einem Jahr liegt. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einer Verbesserung auf 17,5 Punkte gerechnet. "Sich abzeichnende Leitzinssenkungen scheinen wie Doping zu wirken", sagte dazu der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. Nach den Worten von ZEW-Chef Wambach gehen mittlerweile mehr als zwei Drittel der Befragten davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts sinkender Inflationsraten in den kommenden sechs Monaten Zinssenkungen vornimmt. "Von der amerikanischen Notenbank erwarten mittlerweile fast drei Viertel der Befragten baldige Zinssenkungen", sagte Wambach.

"NICHT ZU UNTERSCHÄTZENDES RISIKO"

Hohe Zinsen belasten etwa die deutsche Baukonjunktur. Die noch erhöhte Inflation wiederum dämpft die Kauflaune der Verbraucher. Hinzu kommt der Sparkurs der Regierung. "Der Wegfall staatlicher Investitionen und die drastische Kürzung bei Hilfen für Haushalte und Unternehmen stellen ein nicht zu unterschätzendes konjunkturelles Risiko dar", warnte etwa Ökonom Jörg Angelé vom Vermögensverwalter Bantleon. Hilfe für die exportabhängige deutsche Wirtschaft kommt womöglich aus dem Ausland. "Die US-Wirtschaft schlägt sich besser als erwartet", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Auch in China stabilisiere sich die Situation. "Möglicherweise zieht in den kommenden Monaten zumindest in begrenztem Umfang die Auslandsnachfrage nach deutschen Industriegütern an", sagte Gitzel.

Die deutsche Wirtschaft steht aktuell mit einem Bein in der Rezession. Sie schrumpfte im vierten Quartal 2023 um 0,3 Prozent. Kommt es im laufenden ersten Vierteljahr zu einem erneuten Rückgang, wird von einer technischen Rezession gesprochen. "Wir haben keine Rezession", übte sich Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) in Konjunkturoptimismus. "Wir werden in diesem Jahr Wachstum erleben", fügte er hinzu und verwies auf Investitionen der Bundesregierung.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)