- von Christian Krämer und Rene Wagner
Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung streicht Insidern zufolge ihre Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr deutlich zusammen.
Im Entwurf des neuen Jahreswirtschaftsberichts, der nächste Woche veröffentlicht werden soll, wird nur noch von einem Plus des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,2 Prozent ausgegangen, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstagabend aus Regierungskreisen erfuhr. Bislang hatte die Regierung noch mit 1,3 Prozent gerechnet. Diese aus dem Oktober stammende Prognose gilt aber seit längerem nicht mehr als realistisch.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte auf Anfrage, man könne die Zahl weder bestätigen noch dementieren. Die Regierung werde sich mit der Veröffentlichung des Jahreswirtschaftsberichts äußern. Diese ist für nächsten Woche Mittwoch geplant.
Sowohl das Münchner Ifo-Institut als auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sind noch optimistischer als die Bundesregierung. Die Ifo-Forscher senkten ihre Prognose für 2024 im Januar von 0,9 nur auf 0,7 Prozent, das IfW im Dezember von 1,3 auf 0,9 Prozent. Im März wollen sie neue Vorhersagen vorlegen.
Im aktuellen Monatsbericht zur wirtschaftlichen Lage betonte das Grünen-geführte Wirtschaftsministerium am Mittwoch, aktuelle Frühindikatoren deuteten noch nicht auf eine spürbare konjunkturelle Belebung hin. Die Stimmung der Verbraucher habe sich zuletzt wieder eingetrübt. Verwiesen wurde unter anderem auf die vielen Streiks sowie den hohen Krankenstand in Deutschland. Dies führe dazu, dass sich die erwartete konjunkturelle Erholung nochmals verzögere. Positiv sei aber die im Januar deutlich auf 2,9 Prozent gefallene Inflationsrate. Zudem habe sich der Arbeitsmarkt zu Jahresbeginn angesichts der milden Witterung etwa günstiger entwickelt.
VIEL UNSICHERHEIT
Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld - ein enger Berater von Finanzminister Christian Lindner (FDP) - sagte, es gebe kaum Dynamik in Deutschland. Die Kosten für Unternehmen seien einfach zu hoch. Bei den Arbeitskosten liege Deutschland an der Spitze, ebenso bei der Steuerbelastung. Und die Energiekosten würden nicht mehr auf das Niveau vor dem russischen Angriff auf die Ukraine fallen. Trotzdem sei es nicht angebracht, darauf mit zusätzlichen staatlichen Ausgaben zu reagieren. Es müsse an die Rahmenbedingungen rangegangen werden. Die Steuerbelastung dürfe beispielsweise maximal bei rund 25 Prozent liegen, in etwa fünf Punkte weniger als jetzt.
In Regierungskreisen hieß es zur niedrigeren Wachstumsprognose, Impulse von der Weltwirtschaft blieben aus, außerdem gebe es zahlreiche Krisen, die Unsicherheit schürten. Eine geringere Prognose sei auch wegen der Haushaltskonsolidierung erwartbar gewesen. Eine hohe Inflation, steigende Zinsen und die maue Weltkonjunktur hatten die deutsche Wirtschaft schon 2023 ausgebremst. Das BIP schrumpfte im vergangenen Jahr um 0,3 Prozent.
Die Ampel-Regierung will Lindner zufolge bis zum Frühjahr ein Konzept zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland vorlegen. Dies solle vermutlich synchronisiert werden mit den Gesprächen über den Haushaltsentwurf für 2025, der im Sommer präsentiert werden soll. Sowohl Lindner als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten Deutschland als Standort zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig bezeichnet.
Für 2025 erwartet das Ifo-Institut ein Wachstum von 1,3 Prozent, das IfW von 1,2 Prozent. Hierzu wird im Jahreswirtschaftsbericht keine neue Prognose der Regierung erwartet. Im Oktober wurden 1,5 Prozent geschätzt. Diese Zahl soll erst im Frühjahr aktualisiert werden.
(Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)