- von Christian Krämer
Berlin (Reuters) - Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet in diesem Jahr mit einer erneut schrumpfenden Wirtschaft.
Nach der Befragung von mehr als 27.000 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen erwartet der Verband ein Minus von 0,5 Prozent. 2023 ging das Bruttoinlandsprodukt bereits um 0,3 Prozent zurück. "Die schlechte Stimmung der Unternehmen verfestigt sich", teilte die DIHK am Donnerstag in Berlin mit. Zwar gab es in der Vergangenheit wegen der globalen Finanzkrise und in der Corona-Pandemie deutlich stärkere Einbrüche. Es wäre aber erst das zweite Mal in der Nachkriegsgeschichte, dass die deutsche Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahren schrumpfen würde. Nur 2002 und 2003 war dies bisher der Fall. Damals reagierte die rot-grüne Regierung mit der "Agenda 2010" - weitreichenden Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsreformen.
"Die Krise ist da", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Die Regierung wird sich dem stellen müssen." Es gebe keine bessere Alternative für die Ampel-Partner SPD, Grüne und FDP, als jetzt voll loszulegen. Es müsse alles getan werden, was zu einem größeren Angebot von Unternehmen führe, ohne gleichzeitig die Inflation anzuheizen. Zum Beispiel könne viel deutlicher Bürokratie abgebaut werden. "Das deutsche Lieferkettengesetz muss jetzt ausgesetzt werden." Es nimmt größere Betriebe für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht. Denn die starken Zinserhöhungen zur Bekämpfung der hohen Inflation wirkten und bremsten die Konjunktur, so Wansleben.
Die Ampel-Regierung will laut Finanzminister Christian Lindner bis zum Frühjahr ein Konzept zur Stärkung des heimischen Wirtschaftsstandorts vorlegen. Sowohl der FDP-Chef als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten Deutschland zuletzt als nicht mehr wettbewerbsfähig bezeichnet, Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich dagegen deutlich optimistischer geäußert.
Die Bundesregierung will nächste Woche offiziell ihre Wachstumsprognose für 2024 von 1,3 auf nur noch 0,2 Prozent senken. "Ich finde das nachgerade peinlich und in sozialer Hinsicht gefährlich", sagte Lindner am Mittwochabend in Potsdam. Deutschland werde damit wieder in der Schlussgruppe der Industriestaaten landen. 2023 gab es keine westliche Demokratie, die schlechter abgeschnitten hat. "Wenn wir nichts tun, wird unser Land zurückfallen. Dann wird Deutschland ärmer."
Die gesenkten Prognosen der Regierung dürften die Debatte in der Ampel über Wachstumsimpulse anheizen. Die Grünen plädieren für ein über Schulden finanziertes Sondervermögen für Investitionen, während die FDP auf Steuererleichterungen und Bürokratieabbau setzt.
GESCHÄFTSRISIKO WIRTSCHAFTSSTANDORT DEUTSCHLAND
"Das internationale Geschäft läuft weniger schlecht als befürchtet", sagte Wansleben. Teilweise seien sogar zarte Lichtblicke zu beobachten. Das Problem liege in Deutschland. Fast drei von fünf Unternehmen sähen mittlerweile in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Geschäftsrisiko. "Das ist ein besorgniserregender Höchstwert in unseren Befragungen." 57 Prozent seien dieser Meinung. Im Frühsommer 2023 waren es erst 43 Prozent.
In der DIHK-Umfrage verwiesen besonders viele Betriebe auf die allgegenwärtige Bürokratie. Wansleben sagte, der von der Ampel angekündigte Bürokratieabbau sei in Unternehmen noch nicht zu merken. Als Geschäftsrisiken wurden zudem die hohen Energiepreise, der Fachkräftemangel, die schwache Inlandsnachfrage sowie die hohen Arbeitskosten genannt. Dies geht immer öfter zulasten von Investitionen. 33 Prozent der Betriebe gaben an, ihre Investitionen in Deutschland verringern zu wollen. Nur 24 Prozent planen eine Ausweitung. Damit setze sich nach einer kurzen Erholung im Sommer 2023 der Negativtrend fort, so die DIHK. Bei den Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate rechnen 35 Prozent der Firmen mit einer Verschlechterung und nur 14 Prozent mit einer Verbesserung.
(Mitarbeit von Alexander Ratz und Holger Hansen, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)