- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die erste Hürde auf dem Weg zu einer zweiten Amtszeit genommen: Der CDU-Bundesvorstand nominierte die CDU-Politikerin am Montag in Berlin einstimmig als Spitzenkandidatin für die Europawahl Anfang Juni.
Das bestätigte CDU-Chef Friedrich Merz in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin und betonte die gute Zusammenarbeit mit der Kommissionspräsidentin. CSU-Chef Markus Söder schrieb auf der Plattform X, dass die aus Niedersachsen stammende Politikerin die "natürlich Spitzenkandidatin" der Union sei. "Die CSU wird sie kraftvoll unterstützen."
Anfang März will die konservative europäische Parteienfamilie EVP von der Leyen in Bukarest dann als Spitzenkandidatin für die Europawahl aufstellen. Die großen Parteienfamilien hatten sich darauf verständigt, das Prinzip der Spitzenkandidaten bei der Europawahl Anfang Juni einzuhalten. Danach kann die stärkste Fraktion im neuen Europaparlament Anspruch auf den Chefposten der EU-Kommission erheben, den nur eine Person bekommen soll, die vorher bei der Europawahl antrat. Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs müssen sich nach der Wahl dann auf einen Vorschlag einigen, danach steht die Wahl durch das neue Europäischen Parlament an. Nach Informationen von EU-Diplomaten könnte von der Leyen auf die Unterstützung von 26 der 27 EU-Staats- und Regierungschefs rechnen. Nur Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban dürfte nicht zustimmen, Einstimmigkeit ist allerdings nicht notwendig.
Er sei sicher, dass die EVP stärkste Fraktion im neuen Europäischen Parlament werde, sagte Merz. Nur die EVP sei derzeit mit Abgeordneten aus allen 27 EU-Staaten im Europäischen Parlament (EP) vertreten.
Von der Leyen zeigte sich überzeugt, dass sie diesmal nach einem Sieg bei der in Deutschland am 9. Juni stattfindenden Europawahl auch eine deutliche Mehrheit im Parlament bekommen werde. Sie werde sich um die Unterstützung der Parteien der Mitte bemühen. Dies schließe Liberale, Grüne, Sozialdemokraten und wohl auch Teile der rechten Gruppierung der "Konservativen und Reformer"(ECR) ein, der etwa die polnische PiS-Partei, aber auch die Partei der italienischen Ministerpräsidentin Meloni angehören, hieß es bei EU-Diplomaten.
2019 war von der Leyen nur ganz knapp zur Kommissionspräsidentin gewählt worden. Diesmal werde man dies gründlicher vorbereiteten, kündigte die CDU-Politikerin an. Ein Problem bei der Wahl könnte sein, dass die Rechts- und Linksaußen-Parteien deutlich mehr Stimmen bei der Europawahl bekommen, eine Mehrheit im EP also schwerer zu erreichen ist.
Von der Leyen betonte, sie wolle in den kommenden Monaten ihre beiden Rollen als Wahlkämpferin und Kommissionspräsidentin strikt auseinanderhalten. Als Schwerpunkte einer zweiten Amtszeit nannte sie den Schutz Europas nach außen, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, den Abbau von Bürokratie und die Entwicklung europäischer Stärke bei Künstlicher Intelligenz. Sie übte scharfe Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Witwe des gestorbenen russischen Regimekritikers Alexej Nawalny warf Putin die gezielte Ermordung ihres Mannes vor. Zudem bekräftigte von der Leyen die nötige und stärkere Unterstützung der Ukraine.
Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisierte, dass von der Leyen offenbar nicht für das Europäische Parlament kandidiere. Das zeige, welches Verhältnis die CDU-Politikerin zum Parlament habe, nämlich "kein wirklich inniges". Von der Leyen habe es auch versäumt, sich in ihrer ersten Amtszeit ausreichend um die Themen Wirtschaft und Sicherheit zu kümmern. Ob die FDP als Teil der Bundesregierung eine zweite Amtszeit von der Leyens am Ende unterstützen werde, ließ Strack-Zimmermann offen. Man solle das Fell des Bären erst verteilen, wenn dieser erlegt sei, sagte sie. Zunächst gehe es um die Europawahl.
Von der Leyen will nicht für das Parlament kandidieren, weil es auf EU-Ebene nicht erlaubt ist, sowohl der Kommission als auch dem Parlament anzugehören. In Deutschland können Kanzler und Minister dagegen auch Bundestags-Abgeordnete sein. Deshalb sei klar, dass von der Leyen ein Mandat im EP nie annehmen könnte, hieß es in der CDU.
(Mitarbeit: Alexaner Ratz und Riham Alkousaa; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)