London (Reuters) - WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat in Großbritannien den wahrscheinlich letztmöglichen Versuch gestartet, seine drohende Auslieferung in die USA doch noch zu verhindern.
Bei einer Anhörung vor dem High Court in London argumentierte Assanges Anwalt Edward Fitzgerald am Dienstag, dass das Verfahren gegen seinen Mandanten politisch motiviert und Grund zur Sorge für Journalisten in aller Welt sei. Assange werde strafrechtlich verfolgt, "weil er in Ausübung seiner üblichen journalistischen Tätigkeit geheime Informationen beschafft und veröffentlicht hat, die wahr und von öffentlichem Interesse sind", so Fitzgerald. Rechtsvertreter der USA warfen Assanges Anwalts-Team dagegen vor, den Fall immer wieder falsch darzustellen.
Dem in London inhaftierten 52-Jährigen droht in den USA eine Verurteilung unter anderem wegen Verrats, weil seine Enthüllungsplattform im Jahr 2010 vertrauliche Informationen über das Vorgehen des US-Militärs veröffentlichte. Zahlreiche Unterstützer sehen Assange dagegen als Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufgedeckt hat. In mehreren Städten, darunter Berlin, Brüssel, Rom und Barcelona, haben Assange-Anhänger zu Protestaktionen aufgerufen. Vor dem High Court in London versammelte sich eine große Menschenmenge und skandierten Parolen gegen eine Auslieferung Assanges.
Der gebürtige Australier selbst nahm laut seinem Anwalt an der Anhörung aus gesundheitlichen Gründen nicht teil. Assanges Frau Stella hatte vergangene Woche gesagt, in Frage der Abschiebung gehe es für ihren Mann um Leben und Tod. Seine körperliche und geistige Gesundheit nehme ab. "Sein Leben ist jeden Tag, den er im Gefängnis bleibt, in Gefahr - und wenn er ausgeliefert wird, wird er sterben."
Das Risiko, dass Assange sich bei einer Auslieferung das Leben nehmen könnte, hat in dem jahrelangen Rechtsstreit bereits zuvor eine Rolle gespielt. Zu einem Zeitpunkt stoppte ein Richter deshalb die Auslieferung. Doch 2022 genehmigte die britische Regierung schließlich die Überstellung in die USA. Bei einer Verurteilung dort drohen Assange nach Angaben seines Anwalts-Teams bis zu 175 Jahre Haft, mindestens aber 30 bis 40 Jahre. Die USA werfen ihm diverse Vergehen vor, darunter den Verstoß gegen ein Spionagegesetz.
Assange veröffentlichte auf der Enthüllungsplattform geheime US-Berichte und Diplomatendepeschen, die er von Informanten zugespielt bekam. Die USA bezeichnen ihn seitdem als Staatsfeind, der das Leben anderer Menschen gefährdet habe. Für seine Anhänger ist er dagegen ein Held, der Machtmissbrauch und Fehlverhalten der USA in den Kriegen in Afghanistan und dem Irak aufgedeckt habe.
(Bericht von Sam Tobin und Michael Holden, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)