- von Ilona Wissenbach
Frankfurt (Reuters) - Der Autobauer Mercedes-Benz stellt sich wegen der schwächelnden Nachfrage nach Elektroautos auf einen späteren Abschied vom Verbrennungsmotor ein.
Auf dem Weg zur Elektromobilität gehe es auf und ab, sagte Vorstandschef Ola Källenius am Donnerstag in Stuttgart. Der Dax-Konzern werde auch weiter mit hohen Investitionen in neue E-Autos das Ziel seiner CO2-Neutralität bis 2039 vorantreiben. Aber das Unternehmen müsse sich doppelt absichern. "Wir brauchen taktische Flexibilität." Der Verbrennungsmotor werde bis in die 30er Jahre angeboten werden, da der Kundenwunsch das Tempo des Umschwungs bestimme.
Als neues strategisches Ziel nannte der Autobauer einen Anteil von elektrifizierten Autos, das sind reine E-Autos und Hybridmodelle, von bis zu 50 Prozent bis 2030. Bisher hielt sich der Hersteller bereit für 100 Prozent Elektroautoabsatz - bei entsprechender Marktlage. Doch die Nachfrage sei weniger dynamisch als vor drei Jahren erwartet, sagte Källenius. Schon im vergangenen Jahr musste das Ziel aufgegeben werden, den Absatzanteil von E-Autos zu verdoppeln. Die EQ-Modelle und der Elektro-Smart legten um gut 60 Prozent auf etwa 241.000 Autos zu. Das waren zwölf Prozent vom Absatz. In diesem Jahr soll jeder fünfte Neuwagen "elektrifiziert" sein. Ein spezifisches Absatzziel für reine E-Autos nennt Källenius für 2030 nicht. "Das ist nicht sinnvoll, das kann keiner sagen."
Mit gerade erneuerten Verbrennungsmotoren, die strengere Abgasvorschriften in Europa, China und den USA bis 2027 erfüllen müssen, sieht sich Mercedes gut aufgestellt. Investitionen in neue Plattformen für den konventionellen Antrieb seien nicht geplant. Mit Blick auf das in der Europäischen Union beschlossene Aus des Verbrenners 2035 forderte Källenius, bei der 2026 vorgesehenen Überprüfung sollte rational diskutiert werden, ob die Voraussetzungen mit der Ambition Schritt halten. Denn neben neuen Autos mit schnell aufladbaren Batterien seien die Ladeinfrastruktur und die Grünstrom-Versorgung entscheidende Faktoren, um den Verkehr umzustellen.
Bei Analysten kam die neue Marschrichtung gut an. Das ursprüngliche Ziel sei nicht realistisch gewesen, sagte Pal Skirta, Autoanalyst der Privatbank Metzler. "Das Mercedes-Management versteht, dass der Wechsel zu Elektroautos nicht so schnell geht wie erwartet." Wahrscheinlich müsse auch die Politik in Europa ihre Ziele anpassen.
VORSICHTIGER AUSBLICK
Im vergangenen Jahr ließ die Flaute am Automarkt neben Produktionsproblemen den Gewinn bei Mercedes schrumpfen. Für das laufende Jahr wird ein weiterer Schwund bei stabilem Konzernumsatz und Pkw-Absatz erwartet. "Wir sind vorsichtig angesichts von Einschränkungen in der Lieferkette und des gedämpften Marktumfelds", sagte Finanzchef Harald Wilhelm. Die Unsicherheit in der gesamten Wirtschaft wie auch am Automarkt sei ungewöhnlich hoch. Produktionsprobleme des Zulieferers Bosch mit 48-Volt-Systemen für Verbrennungsmotoren bremsten bei den Schwaben im vergangenen Jahr die wichtigen Pkw-Modelle GLC und E-Klasse aus, so dass etwa 100.000 Fahrzeuge Absatz fehlten. Die können erst ab dem zweiten Quartal nachgeholt werden, wenn der Engpass gelöst sein soll.
Das Betriebsergebnis (Ebit) sank 2023 um vier Prozent auf 19,7 Milliarden Euro bei einem leichten Umsatzanstieg auf 153,2 Milliarden Euro. Unter dem Strich verdiente der Stuttgarter Konzern 14,5 Milliarden Euro, das waren zwei Prozent weniger als 2022. Im laufenden Jahr soll das Ebit leicht sinken, was einem Minus zwischen fünf und 15 Prozent entspricht. Die Rendite in der Hauptsparte Pkw erodiert weiter: Nach zwei Prozentpunkten Rückgang auf "solide" 12,6 Prozent im vergangenen Jahr peilt Mercedes zehn bis zwölf Prozent 2024 an. Die kleinere Van-Sparte erhöhte den Gewinn sprunghaft um fast zwei Drittel auf rund drei Milliarden Euro. Die Marge schnellte auf 15,5 Prozent von elf Prozent. In diesem Jahr rechnet die Sparte mit weniger Absatz und einer nicht mehr ganz so üppigen Rendite von 12 bis 14 Prozent.
ANLEGER FEIERN AKTIENRÜCKKAUF
Trotz ernüchternder Aussichten stieg die Aktie um rund sechs Prozent auf Kurse bei 72 Euro. Anleger griffen zu, da Mercedes-Benz die Dividende um zehn Cent auf 5,30 Euro erhöht und ein neues Aktienrückkaufprogramm im Volumen von drei Milliarden Euro angekündigt hat. Finanzchef Wilhelm kündigte an, die Investoren dauerhaft auf beiden Wegen an sprudelnden Barmitteln teilhaben zu lassen. Was nach Ausschüttung über Dividenden und Finanzierung kleinerer Zukäufe übrig ist, soll in Zukunft zum Aktienrückkauf genutzt werden. "Das zeigt, das Management geht vernünftig mit dem Geld um und es versickert nicht in unrealistischen Projekten", lobte Analyst Skirta.
(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)