Sao Paulo/Berlin (Reuters) - Brasilien will als Gastgeber des anstehenden Finanzministertreffens der G20-Staaten Insidern zufolge besonders strittige Punkte ausklammern.
Der Fokus solle auf Themen liegen, bei denen es einen Konsens geben könne, sagten mehrere mit den Vorbereitungen vertraute Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Vor allem die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen dürften damit zur Seite geschoben werden. Stattdessen soll es vor allem um Fragen der Verschuldung und Hilfen für besonders arme Staaten gehen.
Die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) treffen sich diese Woche in der brasilianischen Metropole Sao Paulo. Haupttage dabei sind Mittwoch und Donnerstag. Gastgeber Fernando Haddad wurde gerade positiv auf das Coronavirus getestet, wie das brasilianische Finanzministerium mitteilte. Er werde zunächst die Meetings virtuell leiten, bis sein Covid-Test wieder negativ sei. Haddad hatte auch viele bilaterale Treffen vereinbart.
Brasilien bereitet den Insidern zufolge ein deutlich kürzeres Abschlusskommunique vor, als dies sonst üblich ist. An den Entwürfen werde derzeit noch gearbeitet, erklärten die Regierungsvertreter. In dem Dokument solle auf das Risiko einer zunehmenden globalen Spaltung und nur sehr allgemein auf Konflikte wie die Ukraine oder Gaza verwiesen werden - ohne konkrete Verweise auf Russland oder Israel.
Die G20-Treffen wurden in den vergangenen Jahren immer wieder von geopolitischen Konflikten überschattet. Unter der G20-Präsidentschaft von Indien und zuvor Indonesien war dabei oft keine gemeinsame Linie möglich. Die Gastgeber behalfen sich dann mit einer eigenen Zusammenfassung der Treffen und zeigten auf, wo es keinen Konsens gab. Diesen verhinderten meist Russland und China im G20-Kreis. Das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen wird aber in weiteren Ländern kritisch gesehen, etwa in Südafrika.
Beim Treffen der G20-Außenminister vergangene Woche in Rio de Janeiro herrschte lediglich Einigkeit, dass es im Nahost-Konflikt zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommen müsse. Zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gab es keine gemeinsame Haltung.
IWF - NOTENBANKEN MÜSSEN IHREN JOB ZU ENDE BRINGEN
Brasilien will diese Woche den Schwerpunkt auf wirtschaftspolitische Themen setzen, etwa den Umgang mit überschuldeten Staaten und weniger Ungleichheit in der Welt. Das Treffen findet zu einer Zeit statt, in der die Weltwirtschaft vergleichsweise langsam wächst und die Inflation nicht schnell genug eingegrenzt werden könnte, was weiter hohe Zinsen bedeuten würde. Ein Insider aus dem G20-Kreis sagte, wegen der bevorstehenden US-Präsidentenwahl und der Wirtschaftsschwäche Europas wollten die Schwellenländer eine stärkere Duftmarke hinterlassen. "Es geht darum, mehr Geld aus den Industrieländern in die Schwellenländer umzuschichten."
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem Jahr mit einer Wende hin zu Zinssenkungen, warnt aber vor zu schnellen Schritten. Die Kerninflation, die besonders schwankungsanfällige Posten wie Energie und Lebensmittel ausklammert, sei in vielen Ländern noch zu hoch, schrieb IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in einem Blog zum G20-Treffen. Die Notenbanken müssten ihren Kampf gegen die hohe Inflation zu Ende bringen. Dies sei vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten und für Entwicklungsländer entscheidend, die am stärksten unter den Kaufkraftverlusten litten. Wie stark die Zinssenkungen ausfallen könnten, müsse im Jahresverlauf vorsichtig von den wichtigsten Notenbanken der Welt erwogen werden. Georgiewa ergänzte, es brauche auch wieder mehr internationale Zusammenarbeit und mehr Vertrauen. Im vergangenen Jahr seien rund 3000 Maßnahmen ergriffen worden, die den internationalen Handel einschränkten. Dies sei fast drei Mal so viel wie 2019.
(Bericht von Christian Krämer, Andrea Shalal, Leika Kihara und Bernardo Caram, Mitarbeit von Alexander Ratz, redigiert von Klaus Lauer. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)