Berlin (Reuters) - Frauen in Deutschland verbringen deutlich mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer.
Sie leisteten 2022 pro Woche durchschnittlich knapp 30 Stunden und damit rund neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Fast die Hälfte dieser Tätigkeit von Frauen besteht demnach aus klassischer Hausarbeit wie Kochen, Putzen und Wäsche waschen. Insgesamt setzt sich unbezahlte Arbeit aus sogenannter Sorgearbeit im Haushalt, Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen, aber auch freiwilligem und ehrenamtlichem Engagement sowie der Unterstützung haushaltsfremder Personen zusammen.
Die Daten stammen aus der sogenannten Zeitverwendungserhebung 2022. In dieser Umfrage geben repräsentativ ausgewählte Haushalte alle zehn Jahre detailliert Auskunft darüber, wie viel Zeit sie für die unterschiedlichen Lebensbereiche aufwenden. Diesmal waren es rund 10.000 Haushalte mit 20.000 Personen ab zehn Jahren. Demnach leisteten Frauen im Schnitt eine Stunde und 17 Minuten pro Tag länger als Männer unbezahlte Arbeit. Damit lag der sogenannte Gender Care Gap bei 43,8 Prozent. Diese Kennziffer zeigt den unterschiedlichen Zeitaufwand, den Frauen und Männer ab 18 Jahren für unbezahlte Arbeit durchschnittlich aufbringen.
EXPERTIN: FRAUEN ARBEITEN MEHR - UND SIND SCHLECHTER BEZAHLT
Bei der vorigen Umfrage 2012/2013 hatte der Gender Care Gap noch bei 52,4 Prozent gelegen. "Die Lücke zwischen Frauen und Männern bei der unbezahlten Arbeit wurde im Zeitvergleich kleiner, sie ist aber nach wie vor beträchtlich", sagte Statistikamts-Präsidentin Ruth Brand. Dabei habe sich für Frauen die wöchentliche Zeit mit unbezahlter Arbeit binnen zehn Jahren um knapp 20 Minuten erhöht. "Allerdings stieg der Zeitaufwand bei den Männern noch stärker, nämlich um gut eine Stunde und 20 Minuten", sagte Brand.
Frauen arbeiteten mehr als Männer - würden dafür aber deutlich schlechter bezahlt, kritisierte Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. "Bei allen Frauen, aber insbesondere bei Müttern mit jungen Kindern, wirkt sich diese starke Belastung durch Sorgearbeit auf die Erwerbsbeteiligung aus." Um den Gender Care Gap zu schließen sei eine doppelte Umverteilung zwischen den Geschlechtern nötig: "Erwerbsarbeitszeit muss von Männern zu Frauen umverteilt werden, um Vätern zeitliche Spielräume für mehr Sorgearbeit zu öffnen, und gleichzeitig sollte Sorgearbeit von Frauen zu Männern verteilt werden." Laut Kohlrausch zeigten WSI-Umfragen, "dass die meisten Paare sich dies auch wünschen".
Fasst man bezahlte und unbezahlte Tätigkeiten zusammen, arbeiteten Erwachsene im Schnitt 44,5 Stunden pro Woche, davon 19 Stunden bezahlt und 25,5 Stunden unbezahlt. Dabei arbeiteten Frauen 2022 rund 1,5 Stunden mehr als Männer, 2012/2013 lag dieser Unterschied bei nur etwa einer Stunde. Derweil leisteten Eltern 2022 pro Woche rund elf Stunden mehr Arbeit als Personen ohne Kinder.
Wie aus der Umfrage zudem hervorgeht, empfindet jede vierte erwerbstätige Mutter ihre Zeit für Erwerbsarbeit als zu knapp bemessen. Jeder vierte Vater findet, dass er zu viel Zeit im Job verbringt. Ferner fühlt sich jede sechste Person in Deutschland oft einsam ? besonders betroffen sind junge Erwachsene, Alleinerziehende und Alleinlebende.
(Bericht von Klaus Lauer; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)