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Baugenehmigungen brechen 2023 ein - Tiefster Stand seit 2012

29.02.2024
um 18:22 Uhr

- von Klaus Lauer

Berlin (Reuters) - Im Zuge der Flaute am Bau ist die Zahl der Genehmigungen für neue Wohnungen im vergangenen Jahr auf den tiefsten Stand seit 2012 eingebrochen.

Die Behörden in Deutschland gaben grünes Licht zum Bau von nur 260.100 Wohnungen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Dies ist im Vergleich zu 2022 ein Rückgang um 26,6 Prozent oder 94.100 Wohnungen. Teure Materialien und eine teure Finanzierung schrecken viele potenzielle Häuslebauer und Investoren ab. Bei vielen Banken und Sparkassen brachen deshalb 2023 die Zusagen für neue Wohnungsbaukredite um 30 bis 40 Prozent ein. Baugenehmigungen gelten als Vorläufer für die Entwicklung der Baukonjunktur. Während Branchenverbände auf mehr Hilfe der Politik pochen, warnt Bauministerin Klara Geywitz vor Schwarzmalerei.

Der Rückgang der Genehmigungen sei Ausdruck des schwächelnden wirtschaftlichen Umfelds seit 2022, sagte Geywitz. "Die schnell und stark gestiegenen Zinsen, hohe Baukosten und eine schwache Dynamik bei den verfügbaren Einkommen haben das Umfeld für Investitionen eingetrübt." Seit Spätsommer 2023 zeiche sich aber eine Bodenbildung ab. "Schwarzmalerei ist fehl am Platz", betonte die SPD-Politikerin. Vielmehr stabilisierten Förderprogramme und Maßnahmen des Ministeriums, der weiter hohe Bauüberhang von genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen sowie ein stabileres Finanzumfeld die künftige Bautätigkeit.

Die Bundesregierung hat sich ursprünglich das Ziel von jährlich 400.000 Wohnungen gesetzt, um dem wachsenden Bedarf vor allem in den Großstädten zu begegnen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa geht davon aus, dass dieses Ziel mit etwa 265.000 Wohnungen auch 2024 klar verfehlt wird. Nach Berechnungen der sogenannten Immobilienweisen fehlen in Deutschland bereits in diesem Jahr mehr als 600.000 Wohnungen. Bis zum kommenden Jahr steige diese Zahl auf 720.000, bis 2027 sogar auf 830.000, erklärte das Expertengremium jüngst.

"SO KANN AKTUELL FAST KEINER MEHR BAUEN"

"Wir befinden uns in einer tiefen Wohnungsbaukrise", sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko. Die Politik müsse rasch handeln. "Wir brauchen ein groß angelegtes Zinsförderprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau ? und zwar jetzt." Der Bauüberhang könne derzeit nicht abgearbeitet werden. "Denn die Realität ist eine lähmende Kombination aus anhaltend hohen Baukosten und Zinsen bei gleichzeitig fehlender Förderung", betonte Gedaschko. "So kann aktuell fast keiner mehr bauen."

Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sieht Bund und Länder am Zug. Sie müssten die Wohnungsnot ernst nehmen. HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller erkennt aber auch bessere Voraussetzungen für eine Trendwende als im vorigen Jahr: 2024 dürften die Baukosten leicht zurückgehen. Zudem seien zum Jahreswechsel die Hypothekenzinsen bei langen Laufzeiten bereits um 0,3 Prozentpunkte gefallen und zur Jahresmitte würden erste Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. "Die Branche benötigt jedoch weitere Investitionsanreize für mehr bezahlbaren Wohnungsbau." Dazu gehörten vor allem bessere Abschreibungsmöglichkeiten.

In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden im Vorjahr 214.100 Wohnungen genehmigt und damit 29,7 Prozent weniger als zuvor. Rund 93 Prozent der Bauanträge für Wohnungen in neuen Wohngebäuden werden in Deutschland von Unternehmen und Privatpersonen gestellt. Auf Firmen entfielen 117.700 Genehmigungen und damit gut 20 Prozent weniger. Bei Privatpersonen gab es sogar einen Rückgang um 42,2 Prozent, während die Zahl der Baugenehmigungen, die auf Anträge der öffentlichen Hand zurückgehen, um 12,1 Prozent sank.

Bei Einfamilienhäusern gab es im vorigen Jahr laut Statistikamt einen Rückgang der Baugenehmigungen um 39,1 Prozent auf 47.600. Bei Zweifamilienhäusern wurde sogar ein Minus von 48,3 Prozent auf 14.300 Wohnungen registriert und bei Mehrfamilienhäusern ein Minus von 25,1 Prozent auf 142.600.

Auch bei Fabriken und Lagerhallen, Büro- und Verwaltungsgebäuden oder landwirtschaftlichen Betrieben gingen die Bauvorhaben 2023 stark zurück. Gradmesser der Bauaktivität ist hier der umbaute Raum. Dieser verringerte sich bei den Nichtwohngebäuden zu 2022 um 15,7 Prozent auf 199,5 Millionen Kubikmeter und damit auf den niedrigsten Wert seit 2015.

(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)