- von Christian Rüttger
Washington/Berlin (Reuters) - Donald Trump startet gestärkt durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshof und einen weiteren Vorwahl-Sieg in den "Super Tuesday".
Das Ziel des Ex-US-Präsidenten bei dem Abstimmungsmarathon in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten ist klar: Er will endlich die Vorentscheidung im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner erzwingen. Umfragen zufolge darf er sich am Dienstag auf weitere Kantersiege gegen seine einzige verbliebene innerparteiliche Rivalin Nikki Haley einstellen. Sollte das Haley zur Aufgabe bringen, kann Trump sich ganz auf die eigentliche Präsidentschaftswahl im November konzentrieren. Dann geht es voraussichtlich wie schon 2020 gegen Joe Biden, der Trump damals besiegte und anschließend an dessen Stelle ins Weiße Haus einzog.
Dass Trump nach 2016 und 2020 ein drittes Mal von den Republikanern nominiert wird, daran bestehen kaum noch Zweifel. Von bislang zehn Vorwahlen gewann er neun deutlich. Den jüngsten Sieg verbuchte er in North Dakota. An Trumps Dominanz ändern auch die zahlreichen juristischen Probleme und Gerichtsverfahren nichts, in die er verstrickt ist. Im Gegenteil: Am Montag verschaffte ihm eine Entscheidung des Supreme Court rechtzeitig vor dem Super-Wahl-Dienstag Rückenwind. Der Oberste Gerichtshof der USA kippte eine Entscheidung der Justiz in Colorado, wonach Trump dort wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 eigentlich von den Vorwahlen ausgeschlossen werden sollte. Ähnliche Vorhaben in mehreren anderen Bundesstaaten sind damit faktisch ebenfalls hinfällig.
"EINE WIRKLICH GROSSE SACHE"
Trotz aller Siegesgewissheit will Trump nichts dem Zufall überlassen. "Super Tuesday, das ist eine wirklich große Sache. Steht bitte auf und geht wählen", rief er seine Anhänger über seine Social-Media-Plattform Truth Social auf. In 15 Bundesstaaten, so vielen wie an keinem anderen einzigen Tag, finden Vorwahlen statt. Von Maine im Osten bis ins entlegene Alaska im Westen lassen die Republikaner über mehrere Zeitzonen hinweg darüber abstimmen, wer für sie in die Wahl im November ziehen soll. In jedem Bundesstaat gibt es unterschiedlich viele Delegiertenstimmen zu holen. Diese Delegierten küren dann auf einem Parteitag im Juli formell den Kandidaten.
Insgesamt werden bei den Republikanern am Dienstag auf einen Schlag 865 und damit mehr als ein Drittel aller verfügbaren Delegiertenstimmen vergeben. Bislang hat Trump etwas mehr als 270 Stimmen zusammen. Rein rechnerisch reicht es also noch nicht dafür, dass er sich die Kandidatur sichert. Dafür bräuchte er mindestens 1215. Doch wenn er wie erwartet auch diesmal Haley überdeutlich auf die Plätze verweist, dürfte diese kaum noch gute Argumente finden, warum sie das Rennen weiter in die Länge zieht. Bislang ist sie jedoch trotz der vielen Niederlagen hartnäckig geblieben. Auf X stimmte sie ihre Anhänger am Montag ein: Sie sei bereit, dieses Land zu retten. "Los geht's."
Allerdings: Selbst eingefleischte Fans glauben inzwischen nicht mehr, dass Haley das Ruder noch herumreißen kann. Sie halten dennoch zu ihr. Viele verbinden mit ihr die Hoffnung, dass die Republikanische Partei zu einer traditionelleren konservativen Ausrichtung zurückfindet, wie sie etwa unter Präsidenten wie George W. Bush oder Ronald Reagan vorherrschte. Auch bei Wählern mit höherem Bildungsabschluss und in urbanen Zentren kommt Haley besser an. Besonders deutlich wurde das am Wochenende im Hauptstadtdistrikt Washington D.C., wo Haley mit deutlichem Vorsprung ihren bislang einzigen Vorwahl-Sieg einfahren konnte. Der "Super Tuesday" wird zeigen, ob sich dieser Trend verfestigt. Bei aller Überlegenheit kann sich Trump nicht erlauben, diese Wählergruppen dauerhaft zu vergraulen, denn spätestens im November wird er auf sie angewiesen sein.
ERREICHT BIDEN DAS PROTEST-LAGER?
Ein Stimmungstest, wenn nicht gar eine Bewährungsprobe wird der "Super Tuesday" auch für Präsident Biden. Seine Demokraten halten ebenfalls quer über das Land verteilt Vorwahlen ab. Nennenswerte Konkurrenz hat Biden zwar nicht. Richtig glücklich sind viele Anhänger der Demokraten aber mit ihm als Kandidaten auch nicht. Den einen ist er mit 81 Jahren schlichtweg zu alt, andere sind enttäuscht, weil er sich ihrer Meinung nach nicht genug für Minderheiten oder die Umwelt eingesetzt hat. Und selbst die Außenpolitik, eine der Expertisen Bidens, spielt diesmal eine Rolle bei den Wahlen, bei denen sonst in der Regel vor allem innenpolitische Themen und die Wirtschaftslage im Fokus stehen. Ein nicht unerheblicher Teil der demokratischen Anhängerschaft kreidet Biden an, im Gaza-Krieg zu sehr auf der Seite Israels zu stehen und zu wenig für die Palästinenser zu tun. Einen Denkzettel verpassten sie ihm jüngst bei der Vorwahl in Michigan, als sie aus Protest ihr Kreuz nicht bei Biden machten, sondern bei "unentschieden".
Biden muss versuchen, diese Kritiker, darunter viele junge Wähler und Vertreter vom linken Parteiflügel, in den eigenen Reihen zu halten und mitzunehmen. Bekommt er ein Problem bei der Mobilisierung, könnte ihn das die Wiederwahl koste. Denn entschieden wird die Präsidentschaftswahl wohl abermals in einigen der wenigen "Swing States", in denen viele Wechselwähler wohnen. Der "Super Tuesday" könnte zum Lackmustest werden.
(Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)