- von Ilona Wissenbach
Frankfurt (Reuters) - Die Lufthansa will trotz des Gegenwinds durch Streiks und höhere Kerosin-Preise den Gewinn in diesem Jahr auf hohem Niveau halten.
Dabei stellt sich das Management auf hunderte Millionen Euro an Kosten allein durch gerade wieder laufende Arbeitsniederlegungen des Bodenpersonals ein. "Gute Arbeit muss ordentlich bezahlt werden, deshalb bieten wir die besten Konditionen unserer Branche und wollen sie verbessern", sagte Vorstandschef Carsten Spohr am Donnerstag. Das vor drei Jahren für 2024 gesteckte Renditeziel von acht Prozent werde auch wegen der Personalkosten wohl verpasst. "Es ist keine feste Zusage mehr, aber wir behalten es als Ziel, das wir so schnell wie möglich erreichen wollen", sagte Finanzchef Remco Steenbergen.
Die Lufthansa erwirtschaftete 2023 ein bereinigtes Betriebsergebnis von 2,7 Milliarden Euro, ein Plus von 76 Prozent. Alle Airlines bis auf die Hauptmarke Lufthansa - also Eurowings, Discover, Swiss, Austrian und Brussels Airlines - flogen Rekordgewinne ein, ebenso die Wartungstochter Lufthansa Technik. Bei einem Umsatz von 35,4 Milliarden Euro (plus 15 Prozent) schnellte die Rendite um zweieinhalb Prozentpunkte auf 7,6 Prozent. Der Nettogewinn war mit gut 1,7 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr, so dass die Lufthansa erstmals nach der Corona-Krise wieder eine Dividende von 30 Cent je Aktie zahlen kann. Die im MDax gelistete Aktie lag leicht im Plus, da die Zahlen weitgehend wie erwartet ausfielen. Analysten der Deutschen Bank erklärten, der Ausblick eines unveränderten operativen Gewinns bei deutlichem Umsatzanstieg sei vernünftig.
VERHANDELN STATT STREIKEN
"Wir sind stolz auf unseren Erfolg", sagte Spohr. "Die Lufthansa Group hat ihre finanzielle Stärke zurückgewonnen." Das ermögliche Rekordinvestitionen in diesem Jahr von 4,5 Milliarden Euro, vor allem in neue Flugzeuge, erneuerte Ausstattung und Kundenservice. Doch die Finanzkraft komme auch den Beschäftigten mit überdurchschnittlichen Tariferhöhungen zugute. Seit Mitte 2022 habe jeder Tarifabschluss den Mitarbeitenden mindestens zehn Prozent mehr Geld gebracht.
Personalchef Michael Niggemann appellierte an die Gewerkschaft Verdi, die Gespräche fortzusetzen. Mittlerweile sei länger gestreikt als verhandelt worden. Verdi fordert 12,5 Prozent mehr Geld für die rund 25.000 Bodenbeschäftigten. Die Lufthansa bezifferte ihr Angebot auf zehn Prozent. "Der wirtschaftliche Schaden ist enorm, unter den Streiks leiden alle", betonte er. Die Airline stehe unter hohem Konkurrenzdruck und brauche wettbewerbsfähige Arbeitskosten, um investieren zu können. Die Streikkosten summieren sich in diesem Jahr bisher auf 100 Millionen Euro. Hinzu kämen einige hundert Millionen Euro Umsatz, die verloren gingen, weil Reisende bei anderen Airlines buchten, erklärte Finanzchef Remco Steenbergen. Auch die rund 20.000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sind nach einem Votum ihrer Gewerkschaft UFO bereit zum Arbeitskampf.
STABILE TICKETPREISE
Bei weiter steigender Nachfrage nach Flügen und mehr Angebot sollen die Ticketpreise in diesem Jahr stabil gehalten werden. Im vergangenen Jahr waren sie im Schnitt um knapp sechs Prozent gestiegen. Mit 123 Millionen steigerten die Airlines die Zahl der Fluggäste um ein Fünftel. Die angebotene Sitzplatzkapazität soll in diesem Jahr auf 94 von 84 Prozent des Volumens von 2019 und damit um zwölf Prozent steigen. Andere Airlines in Europa wollen in diesem Jahr das Vorkrisenniveau erreichen oder übertreffen - das hat sich die Lufthansa für 2025 vorgenommen.
Der Lufthansa-Chef setzt weiter darauf, in diesem Jahr mit ITA Airways eine weitere Marke in die Airline-Familie aufzunehmen. Die EU-Kommission prüft den Plan noch bis 6. Juni darauf hin, ob der Wettbewerb durch die Fusion beschränkt würde. Die Verhandlungen über Auflagen wie die Abgabe von Verkehrsrechten ziehen sich hin. "Wir wollen so schnell wie möglich zu einem Ergebnis kommen", sagte Spohr. Zugleich halte sich die Lufthansa bereit, bei der anstehenden Privatisierung der portugiesischen Airlines TAP den Hut in den Ring zu werfen. "Es ist ganz klar Interesse von uns vorhanden."
Nicht mehr umsetzen kann diese Pläne Finanzchef Steenbergen. Denn mitten in der schwierigen Gemengelage mit den Gewerkschaften und der EU-Kommission verlassen vier von sechs Vorständen den MDax-Konzern, der in dieser Woche den Aufstieg in den Dax knapp verpasste. Der Niederländer Steenbergen geht nach gerade drei Jahren im Juli zurück in die Schweiz und heuert als Finanzchef beim Pharmakonzern Sandoz an. Er nehme das als Zeichen der Anerkennung, wenn Manager nach erfolgreichem Führen der Lufthansa-Finanzen gefragt seien, sagte Spohr.
(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)