Reuters

Chaos und Gewalt in Haiti - Regierungschef kündigt Rücktritt an

12.03.2024
um 08:02 Uhr

Kingston (Reuters) - In Haiti hat angesichts überhand nehmender Bandenkriminalität und anarchischer Zustände Ministerpräsident Ariel Henry seinen Rücktritt angekündigt.

"Die Regierung, die ich führe, wird unmittelbar nach der Einsetzung eines Übergangsrates zurücktreten", teilte Henry in einer Video-Ansprache am Montagabend (Ortszeit) in der benachbarten Karibik-Insel Puerto Rico mit. "Ich bitte alle Haitianer, Ruhe zu bewahren und alles zu tun, damit Frieden und Stabilität so schnell wie möglich zurückkehren."

Die ohnehin instabile Lage in Haiti hatte sich Anfang des Monats nach gewaltsamen Zusammenstößen und zwei Gefängnisausbrüchen weiter zugespitzt. Der berüchtigte Bandenchef Jimmy "Barbeque" Cherizier kündigte eine Allianz mit anderen kriminellen Gangs an und erklärte, sie würden Henry stürzen. Daraufhin wurde der Notstand ausgerufen.

Henry soll nun durch einen Präsidentenrat ersetzt werden, dem zwei Beobachter und sieben stimmberechtigte Mitglieder angehören. Das Gremium soll sich unter anderem aus Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und religiöser Gruppen zusammensetzen. Der Rat soll einen Übergangs-Regierungschef ernennen.

Die demokratische Wahl einer neuen Regierung soll vorbereitet werden, sie werden die ersten seit 2016 sein. Henry, den viele Haitianer für korrupt halten, hatte die Wahlen wiederholt mit der Begründung verschoben, die Sicherheit müsse erst wiederhergestellt werden. In Jamaika trafen sich am Montag Staats- und Regierungschefs der Region, um den Rahmen für einen Übergang zu erörtern. US-Außenminister Antony Blinken sagte, der Rat habe die Aufgabe, die Grundversorgung der Haitianer sicherzustellen und die Bedingungen für freie Wahlen zu schaffen. Die USA würden 100 Millionen Dollar für den Einsatz einer Truppe, die die Sicherheit in Haiti wiederherstellen soll, bereitstellen. Zudem seien 33 Millionen Dollar für humanitäre Hilfen vorgesehen. Die Gelder müssten allerdings noch vom US-Kongress bewilligt werden.

BANDENCHEF: WIR MACHEN EINE BLUTIGE REVOLUTION

Die USA gehen davon aus, dass haitianische Banden große Waffenarsenale angehäuft haben. Bandenführer Cherizier hat gedroht, Hotelbesitzer zu verfolgen, die Politiker verstecken oder mit Henry zusammenarbeiten. "Wir befinden uns nicht in einer friedlichen Revolution. Wir machen eine blutige Revolution in diesem Land, denn dieses System ist ein Apartheidsystem, ein böses System", sagte Cherizier. Die UN schätzen, dass über 362.000 Menschen vertrieben wurden, die Hälfte davon Kinder. Tausende Haitianer wurden getötet. Es gibt zahlreiche Hinweise auf Vergewaltigungen, Folter und Entführungen sowie Lösegeldforderungen.

Auf Videos, die in den sozialen Medien Haitis verbreitet wurden, waren Feiernde auf der Straße zu sehen. Menschen tanzten in einer Partyatmosphäre mit Musik auf den Straßen, Feuerwerkskörper wurden in den Nachthimmel geschossen.

(Bericht von Daphne Psaledakis in Kingston, Steven Aristil, Harold Isaac und Ralph Tedy Erol in Port-au-Prince, Robertson S. Henry, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)