Berlin (Reuters) - Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl, sieht "wichtige Zeichen der Zeitenwende" zwar erreicht, mahnt jedoch für die Bundeswehr nach wie vor "substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur" an.
Das geht aus ihrem Jahresbericht 2023 hervor, den die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin vorstellte. "Auf unsere Bundeswehr ist Verlass", betonte Högl, aber die Truppe "hat noch immer von allem zu wenig".
Högl verwies darauf, dass der Bundestag im vergangenen Jahr Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr im Gesamtvolumen von 47 Milliarden Euro bewilligt habe. Fast zwei Drittel des Sondervermögens mit einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden Euro seien mittlerweile vertraglich gebunden. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 im Bundestag von einer "Zeitenwende" gesprochen und das Sondervermögen zur Stärkung der Truppe angekündigt.
Laut Wehrbericht hat die Bundeswehr nach wie vor ein "enormes Personalproblem". Das Ziel, die Personalstärke bis 2031 von derzeit gut 181.000 auf dann 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, sei nur schwer zu erreichen. Im Gegenteil: "Die Bundeswehr altert und schrumpft", sagte Högl. Insofern begrüße sie, dass die Diskussion über eine neue Wehrpflicht an Fahrt aufnehme. Auch der Anteil von Frauen in der Truppe sei nach wie vor nicht zufriedenstellend. Zwar sei die Zahl von Soldatinnen 2023 leicht gestiegen. Die gesetzlich festgelegte Quote von 15 Prozent, Sanitätsdienst ausgenommen, sei aber nicht erreicht worden.
"NICHT VOLLSTÄNDIG EINSATZBEREIT"
Högl betonte, zusammen mit den Partnern sei die Bundeswehr in der Lage, ihren Verpflichtungen zur Landes- und Bündnisverteidigung nachzukommen. Mit Blick auf das zur Verfügung stehende Material sei die Truppe aber "noch nicht vollständig einsatzbereit". Es fehlten Munition und Ersatzteile, kleineres Gerät wie Nachtsichtmittel und Funkgeräte sowie Großgerät wie Panzer und Flugabwehrsysteme. Högl betonte, es sei wichtig, der Ukraine zur Verfügung gestelltes Großgerät so schnell wie möglich wiederzubeschaffen. Die Bundeswehr stehe aber dazu, der Ukraine das zur Verfügung zu stellen, was sie in ihrem Abwehrkampf gegen Russland benötige.
In der Infrastruktur brauche es "grundlegend neue Ansätze". Viele Kasernen seien "in einem desolaten Zustand", wie aus dem Wehrbericht weiter hervorgeht. Es fehle mitunter an "Selbstverständlichkeiten wie Stuben, Lagerhallen, Sportmöglichkeiten und WLAN. Ein besonderes Problem sei generell die Digitalisierung. Hier sei die Bundeswehr längst nicht im Jahr 2024 angekommen und auch nicht im Berichtsjahr 2023, sagte Högl. Es sei in der Vergangenheit einfach nicht genug investiert worden. "Bund und Länder müssen an einem Strang ziehen und hier schnell Abhilfe schaffen."
Zum Thema Rechtsextremismus heißt es in dem Bericht, es gebe nach wie vor "eine kleine Minderheit" in der Bundeswehr, die in diese Kategorie falle. Die Zahl der meldepflichtigen Ereignisse sei mit 204 in etwa gleichgeblieben. Die Zahl der Meldungen wegen Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung sei indes auf 385 leicht gestiegen. Bei den meisten Verstößen seien Frauen die Opfer gewesen, eine große Rolle spiele der Alkohol.
(Bericht von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)