Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat das Kernelement für den klimafreundlichen Umbau von Stahl-, Chemie- oder Papierindustrie auf den Weg gebracht.
Das Wirtschaftsministerium startete dafür am Dienstag die erste Ausschreibungsrunde für sogenannte Klimaschutzverträge. Mit zunächst bis zu vier Milliarden Euro sollen Unternehmen der Grundstoffindustrie unterstützt werden, um vor allem auf klimafreundlichem Wasserstoff zu setzen. "Heute ist ein guter Tag für den Industriestandort Deutschland, den Klimaschutz und nachhaltige Arbeitsplätze in unserem Land", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Ziel ist es, trotz der Klimavorgaben diese Firmen in Deutschland zu halten. Wirtschaftsverbände lobten das Vorhaben. Auch Greenpeace nannte die Verträge grundsätzlich ein gutes Instrument. Deutschland-Chef Martin Kaiser forderte aber Bedingungen wie die Konzentration auf den Einsatz von nur grünem Wasserstoff.
Unternehmen der Grundstoffindustrie können im Rahmen der Verträge finanzielle Hilfen von bis zu einer Milliarde Euro erhalten. Sie müssen sich um die Förderung mit einer Laufzeit von 15 Jahren bewerben. Wer die wenigste Hilfe mit möglichst großem Klimaeffekt fordert, erhält den Zuschlag. Wird die herkömmliche Produktion im Laufe des Vertrags etwa durch steigenden Preise für CO2-Ausstoß teurer als die grüne Produktion, dreht sich der Vertrag um. Die Unternehmen zahlen dann die Differenz an den Staat für mindestens drei Jahre zurück.
HILFE KÖNNTE MITTLEREN, ZWEISTELLIGEN MILLIARDENBETRAG KOSTEN
Noch dieses Jahr soll eine zweite Ausschreibungsrunde beginnen, so dass sich das Subventionsvolumen dann auf einen zweistelligen Milliarden-Betrag summieren könnte. Geplant sind vier Runden, wobei eine sich auch auf kleine und mittelständische Betriebe konzentrieren soll. Habeck sagte, die Gesamtkosten über 15 Jahre könnten sich dann auf um die 50 Milliarden Euro belaufen. Die Mittel seien aus seiner Sicht aber gut eingesetzt, die Kernfrage laute: "Ist es uns das Wert, dass wir grüne Industrie in Deutschland haben?" Man könne auf der anderen Seite natürlich auch Grundstoffindustrie in andere Länder mit niedrigeren Klimastandards abwandern lassen. Er halte das für den falschen Weg.
Insgesamt sollen über die Laufzeit der Förderprogramme bis 2045 CO2-Emissionen von 350 Millionen Tonnen vermieden werden. Das ist fast die Hälfte des jetzigen Jahresausstoßes in Deutschland und ein Drittel der bis 2030 nötigen Emissionskürzungen der gesamten Industrie.
BDI-Präsident Siegfried Russwurm forderte eine verlässliche Unterstützung der Unternehmen über die nächsten Jahre hinaus. Firmen, die umbauten, dürften nicht durch Haushaltsverhandlungen verunsichert werden: "In manchen Fällen müssen Anlagen ersetzt werden, die das Ende ihrer Lebensdauer noch lange nicht erreicht haben", sagte er.
VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sprach von einem positiven Signal: "Es wäre klug, sie als langfristiges Instrument zu etablieren. Damit sie zum Transformationsbooster werden können, müssen sie möglichst unbürokratisch und pragmatisch fördern." Wichtig sei aber, dass darüber hinaus der Kurs in der Wirtschaftspolitik geändert werde: Dazu muss endlich der Kurs der Wirtschaftspolitik gewechselt werden. "Die Probleme bei zentralen Standortfaktoren wie Energiepreisen, Unternehmenssteuern, Bürokratie und Genehmigungsverfahren müssen jetzt schnell und glaubwürdig angegangen werden."
Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser forderte aber, dass nur mit Wind- oder Solarenergie erzeugter (grüner) Wasserstoff eingesetzt werden dürfe. Dieser soll zwar in den Verträgen besonders unterstützt werden. Jedoch wird auch mit Erdgas produzierter Wasserstoff gefördert, bei dem das CO2 abgeschieden und gespeichert wird (CCS). Greenpeace und Kaiser lehnen auch diese CCS-Technik ab, sie verlängere nur den Einsatz fossiler Energien. Habeck will jedoch die CCS-Technik notfalls auch in anderen Bereichen einsetzen, da ein Industrieland sonst nicht in 20 Jahren klimaneutral werden könne.
(Bericht von Markus Wacket, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)