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Bundestagsparteien empört nach Bericht über rechtsextreme AfD-Beschäftigte

12.03.2024
um 16:42 Uhr

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Vor dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster über die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz hat ein Bericht über die Anstellung Dutzender Mitglieder rechtsextremer Organisationen bei Bundestagsabgeordneten der Partei Empörung ausgelöst.

"Sollte sich dieser Pressebericht bewahrheiten, muss die Bundestagspräsidentin umgehend handeln. Es wäre ein Unding und absolut inakzeptabel, wenn die AfD Rechtsextremisten beschäftigt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, forderten, dass sich das Bundestagspräsidium einschalten solle. Die AfD sieht die Berichterstattung dagegen als Kampagne vor dem Gerichtsurteil.

Das OVG Münster hatte für Dienstag und Mittwoch Anhörungen angesetzt, der Zeitpunkt des Urteils ist noch unklar. Die AfD hatte dagegen geklagt, dass der Verfassungsschutz die Partei schon 2021 als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft hat und deshalb beobachtet. Sollte das Gericht die Klage der AfD abweisen, kann der Bundesverfassungsschutz die Partei weiter mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Der Verfassungsschutz hatte die Partei bereits 2021 als Verdachtsfall eingestuft, in einigen Bundesländern gilt sie bereits als gesichert rechtsextrem. Die AfD argumentierte bei der Anhörung, dass die Richter befangen seien.

Der CDU-Politiker Frei erwartet, dass das OVG die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall aber bestätigen wird. "Mir schien das Urteil des Verwaltungsgerichts, auf das sich das Verfahren ja jetzt bezieht, sehr nachvollziehbar und überzeugend", sagte der CDU-Politiker. "Deswegen kann ich mir gut vorstellen, dass diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt wird".

BERICHT - HÄLFTE DER 78 ABGEORDNETEN BETROFFEN

Nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks beschäftigt etwa die Hälfte der 78 AfD-Bundestagsabgeordneten Mitarbeiter, die einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation angehören. "Die große Zahl an Personen, die offenbar in der Nähe von Feinden unserer Verfassung steht, ist erschütternd", sagte der CDU-Politiker Frei. "Es wäre entlarvend, sollten tatsächlich Personen bei der AfD beschäftigt sein, die zuvor von der AfD wegen extremistischer Umtriebe offiziell ausgeschlossen worden sind."

Die AfD-Fraktion selbst verwies darauf, dass sie aus Gründen des Datenschutzes und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte keine Angaben über die insgesamt 182 in der Fraktion beschäftigten Personen machen könne. AfD-Co-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla betonte, dass man zwischen Mitarbeitern der Fraktion und denen von Abgeordneten unterscheiden müsse. Die Fraktion wies darauf, dass Mitarbeiter neben der fachlichen Eignung auch eine grundsätzliche Übereinstimmung mit den Zielen der AfD haben müssten, "zu denen auch das Eintreten für das Grundgesetz und seine freiheitlich-demokratische Grundordnung gehört".

AfD-Co-Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel warf dem Bayerischen Rundfunk eine bewusste Kampagne vor. "Das Ganze wurde natürlich heute mit der Gerichtsverhandlung in Münster gleich platziert, am selben Tag", sagte sie. Zu dem Vorwurf der Zugehörigkeit von Mitarbeitern zu rechtsextremen Organisationen sagte sie: "Die Definition des Verfassungsschutzes interessiert mich überhaupt nicht, weil es ein Werturteil ist. Es ist eine Bewertung, die völlig subjektiv ist, die keine objektivierbaren Kriterien anlegt." Im übrigen habe niemand thematisiert, dass etwa bei einem Linken-Politiker früher auch der frühere RAF-Terrorist Christian Klar beschäftigt gewesen sei.

Die Frage einer extremistischen Haltung von Mitarbeitern von Abgeordneten wurde schon früher im Bundestag diskutiert, weil diese mit einem Hausausweis Zugang zum Parlament haben. Dementsprechend alarmiert zeigten sich die anderen Fraktionen. "Ich wünsche, dass sowohl die Bundestagspräsidentin, aber auch das Präsidium sich mit diesen Erkenntnissen befasst, möglicherweise daraus auch den Fraktionen weitere Vorschläge macht", sagte SPD-Fraktionschef Mützenich. Es sei "ein heftiger Vorgang", diejenigen ins Haus zu holen, die die Demokratie bekämpften.

Ähnlich äußerte sich Grünen-Fraktionschefin Haßelmann: "Das Innere dieses Parlamentes muss geschützt sein", sagte sie. Das sei im Interesse der demokratischen Parteien und Kräfte im Bundestag. "Und deshalb ist es an der Zeit, sich das sehr genau anzugucken."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser schlug in der "Rheinischen Post" vor, dass der Bundestag seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren sollte. "Da hält sich die Regierung wegen der Gewaltenteilung heraus. Klar ist aber: Wir sind eine wehrhafte Demokratie und müssen alle Mechanismen nutzen, um diese vor ihren Feinden zu schützen", sagte die SPD-Politikerin.

(Mitarbeit: Holger Hansen, Thomas Escritt; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)