Berlin (Reuters) - Mehr als drei Viertel aller Tarifbeschäftigten in Deutschland können sich über eine Inflationsausgleichsprämie freuen.
77,9 Prozent haben seit Oktober 2022 diese Sonderzahlung erhalten oder werden sie noch bis Jahresende 2024 ausgezahlt bekommen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Bei der Prämie handelt es sich um eine steuerfreie Zahlung von bis zu 3000 Euro, die je nach Tarifvereinbarung als Gesamtbetrag oder gestaffelt in Teilbeträgen an die Beschäftigten ausgezahlt werden kann. Der durchschnittliche Auszahlbetrag pro Person liege bei 2761 Euro.
"Die Daten zeigen, dass Beschäftigte in Betrieben mit Tarifvertrag gute Chancen haben, zusätzlich zum Grundentgelt noch eine Sonderzahlung zu bekommen ? ähnlich wie dies beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Fall ist", sagte Malte Lübker vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung." Leider profitiere inzwischen nur noch etwa die Hälfte der Beschäftigten von einem Tarifvertrag. Es sei unklar, wie viele der tariflosen Arbeitgeber die Prämie gezahlt haben - und in welcher Höhe.
In den einzelnen Branchen gibt es deutliche Unterschiede - sowohl was die Höhe der Inflationsprämie als auch den Anteil der Tarifbeschäftigten betrifft, die sie bekommen. Die niedrigsten Prämien wurden im Baugewerbe mit durchschnittlich 1104 Euro sowie im Bereich Land-, Forstwirtschaft und Fischerei mit 1689 Euro gemeldet. Die höchsten Zahlungen vereinbart wurden in den Bereichen Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (3000 Euro), Erziehung und Unterricht (2999 Euro), Kunst, Unterhaltung und Erholung (2987 Euro) sowie Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung (2943 Euro).
"INFLATIONSSCHOCK ABGEFEDERT"
Mit jeweils rund 96 Prozent haben im Verarbeitenden Gewerbe und dem Bereich Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung anteilig die meisten Tarifbeschäftigten einen Anspruch auf eine Inflationsausgleichsprämie. Im Gastgewerbe (6,3 Prozent), in der Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen (11,2 Prozent) und im Handel (24,4 Prozent) profitieren anteilig die wenigsten davon.
Die Maßnahme aus dem dritten Entlastungspaket der Bundesregierung zur Milderung der Folgen der Energiekrise trug dazu bei, dass die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen 2023 um durchschnittlich 3,7 Prozent zulegten. WSI-Experte Lübker zieht insgesamt ein positives Fazit. "Die Prämien haben geholfen, den Inflationsschock für die Beschäftigten etwas abzufedern", sagte er. Auch wenn der Preisdruck langsam zurückgehe, so blieben die Lebenshaltungskosten unverändert hoch. "Deshalb sollten die Einmalzahlungen in den laufenden Tarifrunden ? falls dies noch nicht vereinbart ist ? in das reguläre Entgelt überführt werden", sagte Lübker. Im Februar ist die Inflationsrate mit 2,5 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren gefallen. 2023 lag die durchschnittliche Preissteigerung bei 5,9 Prozent.
Die Ergebnisse zur Inflationsausgleichsprämie haben allerdings nur einen vorläufigen Charakter, da sie sich auf bisher bestehende tarifliche Vereinbarungen beziehen, betonen die Statistiker. Inflationsausgleichsprämien können entsprechend der gesetzlichen Vorgaben noch bis Ende des Jahres 2024 ausgezahlt werden. Somit verbleibt den Tarifpartnern noch Zeit, entsprechende Vereinbarungen in ihre laufenden Verhandlungen beziehungsweise als Sondervereinbarung aufzunehmen.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Reinhard Becker. - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)