- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) - Deutschland hat seinen Treibhausgas-Ausstoß deutlich gesenkt und sein Klimaziel 2023 geschafft.
Mit 673 Millionen Tonnen wurden rund zehn Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als 2022, teilten Klimaministerium und Umweltbundesamt (UBA) am Freitag mit. Dies ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung 1990. Gründe sind vor allem, dass weniger Kohle in Kraftwerken verbrannt wurde und auch, dass die Wirtschaft schwächer lief. Mit Blick auf die einzelnen Bereiche zeigt sich jedoch, dass trotz Besserung sowohl der Verkehrs- als auch der Gebäudesektor seine gesetzlichen Vorgaben erneut verfehlt haben. Klimaminister Robert Habeck zeigte sich dennoch erfreut: "Deutschland ist auf Kurs - erstmals. Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030."
Auch laut Umweltbundesamt sind die Vorgaben der nächsten Jahre zu schaffen. "Mit Blick auf 2030 bin ich zuversichtlich, dass wir die nationalen Ziele einhalten können", sagte UBA-Präsident Dirk Messner. "Wir sind bereits ein großes Stück beim Klimaschutz vorangekommen." Dies liege vor allem am schnelleren Ausbau erneuerbarer Energie wie Wind- und Solarstrom. "Wir sind noch nicht über den Berg, aber die Geschwindigkeit, die wir aufgenommen haben, passt." Es sei sogar möglich, die Vorgaben für 2030 überzuerfüllen.
Deutschland muss bis 2030 seine Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 drücken. Derzeit liegt man bei um die 46 Prozent. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, also unter dem Strich praktisch gar kein Klimagas mehr produzieren.
SOLAR-BOOM UND ERNEUERBAREN-ZUBAU IN EUROPA VERDRÄNGT KOHLE
Die Emissionen der Kraftwerke gingen mit 20 Prozent besonders deutlich zurück. Der Energiesektor ist für den Klimaschutz der wichtigste. Der Ausbau von Wind- und vor allem Solarenergie hat wieder Schwung aufgenommen und Kohlestrom verdrängt. Dabei half allerdings auch der um fast vier Prozent geringere Stromverbrauch. Zudem importierte Deutschland im vergangenen Jahr seit langem erstmals mehr Strom aus dem Ausland als es exportierte, was günstig für die Klimabilanz ist. Ein Grund dafür war, dass die französischen Atomkraftwerke 2023 wieder mehr produzierten als 2022, als zahlreiche Meiler wegen Reparaturen vom Netz genommen wurden. Zudem legten europäische Nachbarstaaten beim Ausbau der Erneuerbaren kräftig zu. Damit stieg das Angebot von günstigem Strom in Europa.
Neben dem geringeren Ausstoß im Energiesektor machte sich vor allem die schwache Wirtschaft bemerkbar: Die Industrie stieß 7,7 Prozent weniger CO2 aus. Die nach wie vor hohen Preise für fossile Energien machten es für die Industrie besonders schwer. Eine Verlagerung von Industrien ins Ausland helfe dem Klima nicht.
BAU UND VERKEHR VERFEHLEN ZIELE
Auch die Sektoren Bau- und Verkehr konnten ihre Emissionen reduzieren. Im Gebäudesektor gingen sie um über sieben Prozent zurück, was zum einen auf den vergleichsweise milden Winter zurückzuführen ist. Zum anderen haben die höheren Gas- und Ölpreise die Menschen zum Sparen gebracht. Messner verwies auf den Austausch von Heizungen, wobei allerdings auch viele Erdgas-Heizungen noch neu eingebaut würden. Dies helfe zwar zunächst, könne aber langfristig ein Problem sein, da sie nicht CO2-frei seien.
Größtes Sorgenkind bleibt laut Messner der Verkehr. Zwar produzierte auch er etwa weniger CO2, verstieß jedoch wie der Gebäudesektor gegen die im Klimaschutzgesetz verankerten Vorgaben. Es gebe zuwenig Elektro-Autos. Der LKW-Verkehr sei auch wegen der Wirtschaftsflaute zurückgegangen.
Wegen des Verstoßes gegen das Klimaschutzgesetz bei Verkehr und Bau ist Deutschland bereits vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verurteilt worden. Die Regierung ist in Revision gegangen und verweist auf die geplante Reform des Gesetzes. Dieses soll eine leichtere Verrechnung zwischen den Sektoren möglich machen. Derzeit hat jeder Sektor für jedes Jahr eine klare CO2-Obergrenze. Das neue Gesetz ist vom Kabinett beschlossen. Im Bundestag wird allerdings noch darum gerungen.
(Redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)