Düsseldorf (Reuters) - Massive Abwertungen seiner Immobilien sorgen beim Branchenprimus Vonovia für einen Rekord-Verlust und haben die Aktien des Konzerns am Freitag auf Talfahrt geschickt.
Das Bochumer Unternehmen musste angesichts des Preisverfalls am Immobilienmarkt den Wert seiner Wohnungen 2023 um rund elf Milliarden Euro herunterschreiben und verbuchte dadurch unter dem Strich ein Minus von rund 6,75 Milliarden Euro - rund das Zehnfache des Vorjahresverlustes.
"Das vergangene Jahr war anstrengend", bilanzierte Konzernchef Rolf Buch am Freitag. "Der Einbruch der Werte war der gravierendste, den wir je erlebt haben." Er will nun das Geld zusammenhalten und sich von Immobilienpaketen trennen, um die milliardenschwere Schuldenlast Vonovias zu drücken. Zugleich sieht er aber Licht am Ende des Tunnels: "Die Zeiten von Wertverlusten liegen weitestgehend hinter uns." Vonovia wolle durchstarten, sobald sich der Markt stabilisiere. Daran glauben die Investoren aber noch nicht so recht - Vonovia-Aktien gaben um rund sechs Prozent nach und waren damit größter Dax-Verlierer.
Vonovia steht mit dem Verlust nicht allein. Die Branche kämpft mit den Folgen hoher Zinsen und explodierender Baukosten. Viele Projektentwickler schlitterten bereits in die Pleite. Es werden kaum noch neue Wohnungen gebaut, obwohl diese angesichts der Wohnungsnot dringend benötigt werden. Hinzu kommt, dass es über lange Zeit kaum größere Transaktionen gab. Viele Marktteilnehmer können so nur schwer bewerten, was die Immobilienbestände in ihren Büchern wirklich wert sind. Das schürt weitere Unsicherheit. Die Immobilienpreise sanken. Bei den Konzernen sorgten die Abwertungen der Bestände für teils herbe Verluste. Dabei drücken viele von ihnen hohe Schulden - Vonovia hatte etwa in einer milliardenschweren Transaktion den Konkurrenten Deutsche Wohnen geschluckt. Die über Jahre erfolgsverwöhnten Unternehmen mussten Dividenden kürzen oder komplett streichen. Vonovia hob die Ausschüttung indes für 2023 sogar um rund sechs Prozent an auf 0,90 Euro je Aktie. In Zukunft soll es aber eine andere Dividendenpolitik geben.
Für die Branche sei 2023 ein "annus horribilis" gewesen, hatte der Chef des kleineren Vonovia-Konkurrenten LEG Immobilien, Lars von Lackum, gesagt. Bei der LEG hatten die Abwertungen 2023 für einen Verlust von rund 1,5 Milliarden Euro gesorgt. Bei der Hamburger TAG Immobilien summierte sich das Minus auf 410,9 Millionen Euro, bei Grand City Properties belief es sich auf 638 Millionen. Die LEG setzt aber schon wieder auf bessere Zeiten. "Für die LEG ist der Höhepunkt der Immobilienkrise vorbei", sagte Lackum Anfang der Woche. Bei Vonovia klingt dies ähnlich.
"DAS SCHLIMMSTE DÜRFTE HINTER UNS LIEGEN"
"Die Branchenstimmen werden lauter, dass die Werte die Talsohle bereits erreicht haben könnten", sagte Buch. "Das schlimmste dürfte hinter uns liegen." Die Zeiten der Zinserhöhungen durch die Zentralbanken seien vermutlich vorbei - für die Immobilienwirtschaft könne das wieder einen Aufschwung bringen. "Sobald sich der Markt stabilisiert hat, werden wir uns wieder stärker auf die Steigerung unserer Erträge konzentrieren." Dann könne Vonovia "wieder durchstarten".
Zunächst muss Buch aber den Verschuldungsgrad (LTV) drücken. Dieser war im vergangenen Jahr durch die Abwertungen auf 47,3 Prozent gestiegen - Ziel sind maximal 45 Prozent. Dazu will er Immobilienpakete mit einem Volumen von rund drei Milliarden Euro losschlagen. Auch im Reich der Deutschen Wohnen könnte es zu Verkäufen kommen - dort sollen etwa die Pflegeimmobilien einen neuen Eigner finden.
Vonovia verfügt über rund 546.000 Wohnungen. Der Konzern hatte das Portfolio im ersten Halbjahr um 6,6 Prozent abwerten müssen, in der zweiten Jahreshälfte waren es 4,2 Prozent. Der Verkehrswert des Immobilienbestands sackte damit zum Jahresende auf 83,9 Milliarden Euro - ein Jahr zuvor waren es mit 94,7 noch rund elf Milliarden Euro mehr.
Im operativen Geschäft konnte Vonovia 2023 auch durch Mieterhöhungen den Ertrag in der Vermietung steigern, die Leerstandsquote lag bei rund zwei Prozent. 2024 sollen die Mieten weiter steigen. Der Ertrag aus dem operativen Geschäft (Group FFO) ging aber aufgrund der Zinsentwicklung auf 1,8 Milliarden Euro zurück.
Von 2024 an will Vonovia angesichts der Umbrüche auf das bereinigte Ergebnis vor Steuern (Adjusted Ebt) als zentrale Kennzahl setzen, das den Group FFO ablösen soll. Für das Geschäftsjahr erwartet Vonovia das bereinigte Ebitda zwischen 2,55 und 2,65 Milliarden Euro, das bereinigte Ebt werde voraussichtlich zwischen 1,70 und 1,80 Milliarden Euro liegen. Im Jahr 2023 waren es noch 1,86 Milliarden Euro. Für die Dividende will Vonovia ebenfalls eine neue Basis legen - diese soll sich künftig am bereinigten Ebt und an überschüssiger Liquidität orientieren. Die überraschenden Umstellungen bereiteten Kopfzerbrechen, erklärten Jefferies-Analysten. Die neue Dividendenpolitik erscheine "relativ komplex", gaben ihre Kollegen von Berenberg zu bedenken.
(Bericht von Matthias Inverardi und Tom Sims, redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)