- von Francesco Canepa und John O'Donnell
Frankfurt (Reuters) - Die gegenwärtigen Börsenspekulationen auf mindestens drei Zinssenkungen der EZB bis zum Jahresende sind aus Sicht des lettischen Notenbankchefs Martins Kazaks nachvollziehbar.
Aus den Kursen am Geldmarkt geht derzeit hervor, dass Investoren bis Ende Dezember mit mindestens drei Schritten nach unten rechnen. "Wenn ich mir die Börsenkurse für ungefähr den letzten Monat ansehe, bin ich damit ganz zufrieden", sagte das EZB-Ratsmitglied am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Als konkrete Zinsprognose solle seine Aussage aber nicht verstanden werden. Für Kazaks ist es noch ein langer Weg, bis ein Zinsniveau erreicht sein wird, das die Wirtschaft weder bremst noch antreibt.
"Ich werde keine Forward Guidance dergestalt geben, dass es drei Zinssenkungen geben wird, denn wir werden bei jeder Sitzung einen Blick darauf werfen", führte Kazaks aus. Die nächsten geldpolitischen Sitzungen der der Europäischen Zentralbank (EZB) sind am 11. April und dann am 6. Juni. Im Juli, im September, im Oktober und im Dezember stehen weitere Zinstreffen der Euro-Wächter an. Kazaks zufolge ist es für die EZB einfacher, Zinsschritte auf Sitzungen zu beschließen, zu denen den Währungshütern neue Inflationsprognosen der hauseigenen Volkswirte vorliegen. Dies ist im Juni, im September und im Dezember der Fall
Viele Währungshüter hatten zuletzt den Juni als möglichen Zeitpunkt für eine erste Zinssenkung der Euro-Notenbank genannt. Die Diskussionen gehen inzwischen dazu über, wie viele weitere Schritte nach unten es insgesamt 2024 geben sollte. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Horten überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt aktuell auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Aus den Börsenkursen geht hervor, dass Investoren bis zum Jahresende mit einem Einlagensatz von 3,00 bis 3,25 Prozent rechnen.
Kazaks betonte, es sei ein Unterschied, ob die Zinssätze drei- oder viermal gesenkt würden. Insgesamt sei es aber noch ein langer Weg, bis die Geldpolitik die Wirtschaft nicht mehr dämpfe. "Selbst wenn wir mit der Zinssenkung beginnen wird es noch einige Zeit dauern, bis wir den neutralen Zinssatz erreichen", sagte er. Unter dem neutralen Zins verstehen Volkswirte den Satz, der eine Wirtschaft weder antreibt noch bremst. "Wenn wir die Zinsen senken, verringern wir nur die geldpolitische Straffung", sagte Kazaks. Die Geldpolitik werde restriktiv bleiben.
(Bericht von Francesco Canaepa. John O'Donnell; Bearbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)