Berlin (Reuters) - Die Talfahrt der krisengeschüttelten deutschen Baubranche setzt sich zu Jahresbeginn vor allem wegen der schwachen Nachfrage nach neuen Wohnungen fort.
Die Neuaufträge im Bauhauptgewerbe fielen im Januar inflationsbereinigt (real) um 7,4 Prozent geringer aus als im Dezember, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Auch der Umsatz gab deutlich nach: Er sank real um 5,3 Prozent im Vergleich zum Januar 2023. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) sprach von einem "schwachen Jahresstart".
Dafür sorgte vor allem der Wohnungsbau: Hier gaben die Aufträge im Januar mit 17,8 Prozent überdurchschnittlich nach. Eine rasche Trendwende ist angesichts der zuletzt stark gesunkenen Baugenehmigungen nicht zu erwarten. Der Hochbau insgesamt - zu dem neben dem Wohnungsbau etwa auch die Errichtung von Fabriken oder Verwaltungsgebäuden zählt - meldete einen realen Rückgang von 12,0 Prozent zum Vormonat. Das Neugeschäft im Tiefbau, wozu auch der staatlich dominierte Straßenbau zählt, schrumpfte zu Jahresbeginn um 3,1 Prozent.
"UNGLEICHE ENTWICKLUNG"
"Zu Jahresbeginn setzt sich die ungleiche Entwicklung in der Baubranche fort", kommentierte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller die Entwicklung. "Auf der einen Seite die nach wie vor desaströse Situation im Wohnungsbau und auf der anderen Seite ausgleichende Großprojekte im Wirtschaftstiefbau, in dem Bahn- und Kabelleitungsbau verortet sind." Letzterer sei auf ein Orderplus von 20 Prozent gekommen.
Mit einem baldigen Aufschwung in der Baubranche ist nicht zu rechnen. Zwar hellte sich die Stimmung im Bauhauptgewerbe im März etwas auf, wie aus der monatlichen Unternehmensumfrage des Ifo-Instituts hervorgeht. So legten die Erwartungen nach dem historischen Tief im Vormonat zu. "Die Aussichten bleiben jedoch düster", lautet das Fazit der Münchner Wirtschaftsforscher.
Kräftig gestiegene Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) die hohe Inflation bekämpfen will, machen insbesondere dem Wohnungsbau zu schaffen. Dadurch werden viele Projekte für Bauherren zu teuer. Das ist nach Einschätzung vieler Experten ein soziales Problem, da bezahlbarer Wohnraum vor allem in die Städte auf Jahre hinaus Mangelware bleiben dürfte.
Das einstige Ziel der Bundesregierung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen fertigzustellen, rückt dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in immer weitere Ferne. "Nach aktuellem Auftragseingang dürften absehbar nur noch etwas mehr als halb so viele Wohnungen fertiggestellt werden", sagte der wissenschaftliche IMK-Direktor Sebastian Dullien.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)