Reuters

Nato-Partner diskutieren 100-Milliarden-Euro-Fonds für Ukraine

03.04.2024
um 14:37 Uhr

Brüssel/Berlin (Reuters) - Die Nato-Außenminister haben am Mittwoch mit den Beratungen über eine langfristige Militärhilfe der Ukraine begonnen.

Bei einem zweitägigen Treffen wollen sie auch den Plan von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg diskutieren, einen Fünf-Jahres-Fonds in Höhe von 100 Milliarden Euro aufzulegen, um Hilfe für Kiew langfristiger und verlässlicher zu machen, hieß es bei EU-Diplomaten. Auch solle sie "Trump-sicher" gemacht werden - für den Fall, dass die US-Unterstützung bei einer Rückkehr von Ex-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus nachlässt. Bei dem Treffen in Brüssel soll auch offiziell der 75. Jahrestag der Nato-Gründung gefeiert werden.

"Wir müssen der Ukraine langfristig verlässliche und vorhersehbare Sicherheitshilfe gewähren, so dass wir uns weniger auf freiwillige Beiträge und mehr auf Nato-Verpflichtungen verlassen", sagte Stoltenberg vor dem Beginn des Treffens. Er lehnte es auf Nachfrage ab, das Volumen des Fonds zu bestätigen, und erklärte, dass eine Entscheidung auf dem Nato-Gipfel im Juli in Washington getroffen werden solle.

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte, er stehe hinter Stoltenbergs Bemühungen. Die kanadische Außenministerin Melanie Joly begrüßte "jede Form der Unterstützung, die die Ukraine erhalten kann". Allerdings zeichneten sich bereits am Mittwoch auch erhebliche Vorbehalte ab. So verwies ein EU-Diplomat gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters auf die ungeklärte Finanzierung eines solchen Fonds. Etliche EU-Staaten haben erhebliche Haushaltsprobleme, weshalb auch die bilaterale Hilfe für die Ukraine sehr unterschiedlich ausfällt.

Deutschland wiederum ist nach den USA der größte bilaterale Lieferant von Waffen für die Ukraine, finanziert aber Aktivitäten im Nato-Rahmen zu einem erheblich größeren Teil als andere große Nato-Mitglieder. Die Finanzierung eines milliardenschweren Nato-Fonds müsste zwischen den 32 Mitgliedern neu gewichtet werden. Entscheidungen sind nur einstimmig möglich.

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zurückhaltend: "Wichtig ist hier, dass wir die Prozesse zwischen EU und Nato nicht duplizieren, deswegen halte ich es jetzt nicht für sinnvoll, wieder über einzelne Größen hier zu diskutieren und in der Luft zu jonglieren."

REGIERUNG BEKRÄFTIGT: NATO DARF NICHT KRIEGSPARTEI WERDEN

Laut Diplomaten wäre es auf jeden Fall denkbar, der Nato eine direktere Rolle bei der Koordinierung von Waffen-, Munitions- und Ausrüstungslieferungen an die Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion einzuräumen. Eine Sprecherin der Bundesregierung betonte aber in Berlin, dass es dabei bleiben müsse und werde, dass die Nato nicht Kriegspartei gegen Russland werden dürfe. Dies würde etwa ein direktes Auftreten von Soldaten in einer Nato-Mission in der Ukraine schwierig machen. Bisher wurde dies vermieden, weshalb ukrainische Soldaten in Nato-Ländern ausgebildet werden.

Nach Stoltenbergs Plänen würde die Nato einen Teil der Koordinierungsarbeit der bisher US-geführten sogenannten Ramstein-Gruppe übernehmen - ein Schritt, der nach Angaben von Diplomaten zum Teil darauf abzielt, sich vor einer Kürzung der amerikanischen Unterstützung zu schützen, falls Trump die US-Präsidentenwahlen gewinnt.

Der Nato-Generalsekretär warnte in diesem Zusammenhang aber auch, dass bereits jetzt das weitere Ausbleiben der angekündigten milliardenschweren US-Hilfe direkte Auswirkungen auf die Front in der Ost- und Südukraine hätte. Der US-Kongress hat das von US-Präsident Joe Biden vorlegte Ukraine-Paket bisher nicht passieren lassen.

Am Donnerstag wollen die Nato-Außenminister auch mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmitri Kuleba zusammenkommen. Stoltenberg sagte, dass die Ukraine auf jeden Fall Mitglied der Allianz werde. Es geht nicht mehr um das "Ob", sondern nur noch um das "Wann". US-Außenminister Antony Blinken, der an dem Treffen teilnehmen wird, sagte am Dienstag in Paris, die Nato prüfe Maßnahmen, die der Ukraine als "notwendige Brücke" zur Mitgliedschaft in der Allianz dienen könnten. Die Nato hat bisher erklärt, dass die Ukraine nicht beitreten kann, solange sie sich im Krieg mit Russland befindet, dass sie aber irgendwann Mitglied werden wird.

(Bericht von Andrew Gray, John Irish, Andreas Rinke, Bart Meijer, Markus Wacket; redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)