- von Andreas Rinke und Andrew Gray
Brüssel/Berlin (Reuters) - Im Kreis der Nato-Außenminister gibt es nach Angaben des lettischen Ressortchefs Krisjanis Karins Unterstützung für den Plan eines Fünf-Jahres-Fonds in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Ukraine.
Die Vorschläge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg seien allgemein positiv aufgenommen wurden, sagte Karins am Donnerstag vor dem zweiten Tag des Nato-Außenministertreffens in Brüssel. Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte eine stärkere Rolle der Nato bei der Koordinierung der Ukraine-Hilfe. Man müsse aber aufpassen, dass es keine Duplizierung gebe, weil auch die EU bereits einen milliardenschweren Fonds für die Ukraine-Militärhilfe habe.
Die 32 Nato-Außenminister wollen heute den 75. Geburtstag des westlichen Verteidigungsbündnisses feiern. Zudem treffen sie ihren ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba im Nato-Ukraine-Rat. Auch dabei geht es um die Hilfe für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. An dem Treffen nahmen auch die beiden jüngsten Allianzmitglieder Finnland und Schweden teil. "Demokratische Nationen und freie Menschen haben sich für den Beitritt zur Nato entschieden, im Gegensatz zu Russland, das sich durch Annexion oder illegale Aggression ausbreitet", sagte die finnische Außenministerin Elina Valtonen.
Stoltenberg betonte in einer Feierstunde die Bedeutung der Europäer für die USA: "Durch die Nato haben die Vereinigten Staaten mehr Freunde und Verbündete als jede andere Großmacht. Ich glaube nicht an Amerika allein", sagte er in Anspielung auf Zweifel, ob die USA unter einem Präsidenten Donald Trump uneingeschränkt an der Mitgliedschaft in der Nato festhalten. Auch Baerbock mahnte Solidarität nicht nur für die Ukraine, sondern auch innerhalb des Bündnisses an. Gerade wegen der Aggressivität Russlands "ist es so wichtig, dass wir gemeinsam für diese Freiheit jetzt einstehen und deutlich machen: Einer für alle und alle für einen".
BAERBOCK: SCHON JETZT ÜBERSCHNEIDUNGEN BEI EU UND NATO
Der Vorschlag eines 100-Milliarden Euro-Fonds hatte die Beratungen bereits am Mittwoch dominiert. Der Nato-Generalsekretär will damit die Hilfe für die Ukraine längerfristig und verlässlicher anlegen, als dies derzeit mit der bilateralen Hilfe und dem von den USA initiierten Ramstein-Format der Fall ist. Ein Hintergedanke ist auch, die Hilfe für die Ukraine unabhängiger von den USA zu machen. Zum einen bekommt US-Präsident Joe Biden sein milliardenschweres Ukraine-Militärpaket nicht durch den Kongress. Zum anderen gibt es Befürchtungen, dass die US-Unterstützung im Fall einer Rückkehr von Trump ins Weiße Haus ganz zum Erliegen kommen könnte.
"Innerhalb der Nato müssen wir unsere Aktivitäten, unsere Unterstützung der Ukraine weiter stärken und bündeln", sagte Baerbock in Brüssel. Dies betreffe insbesondere die Ausbildung ukrainischer Soldaten sowie die Koordinierung der Hilfe für die Ukraine, "die auch unsere Sicherheit und Freiheit schützt". Im Deutschlandfunk hatte sie aber auch vor einer Duplizierung der Aufgaben gewarnt. "Ich habe darauf hingewiesen, dass wir mit dem Blick auf die Finanzierung - nicht auf die Ausbildung-, verschiedene Mechanismen haben", sagte die Grünen-Politikerin. Bei 32 Nato- und 27 EU-Ländern gebe es zahlreiche Überschneidungen, sagte sie in Anspielung auf den milliardenschweren EU-Topf für Militärhilfe für die Ukraine.
MERZ: EUROPÄER MÜSSEN SEHR VIEL MEHR FÜR VERTEIDIGUNG TUN
Zugleich steckte Baerbock die Grenzen eines Nato-Engagements ab: "Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass das oberste Gebot für uns der Schutz unserer eigenen Bevölkerung ist, unserer eigenen europäischen Staaten ist und deswegen die Nato keine Konfliktpartei sein wird und keine Konfliktpartei ist." Mit Blick auf die USA fügte die Grünen-Politikerin hinzu: "Es ist völlig klar, als Europäer müssen und werden wir mehr zu unserer Verteidigung beitragen müssen und den europäischen Pfeiler in der Nato stärken." Das gelte unabhängig von den US-Wahlen im Herbst.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz forderte, dass die Nato "sehr viel mehr" für Sicherheit leisten muss als bisher. "Man muss es zum 75. Geburtstag der Nato heute wohl so sagen: Selten war die Freiheit und der Frieden in Europa und in der Welt mehr gefährdet als ausgerechnet zum 75-jährigen Bestehen des erfolgreichsten Verteidigungsbündnisses der Welt", sagte Merz der Nachrichtenagentur Reuters. "Deshalb müssen vor allem die Europäer in der Nato und zugleich in der EU in den nächsten Jahren sehr viel mehr für ihre Verteidigung unternehmen, als sie dies bisher getan haben."
(Mitarbeit: Inti Landauro, Anneli Palmen; redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)