Frankfurt (Reuters) - Aus Sicht der Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) gewinnen mit einer Inflation im Sinkflug die Argumente für eine Zinssenkung immer mehr an Kraft.
Die Euro-Wächter hätten sich auf ihrer jüngsten Zinssitzung zunehmend zuversichtlich geäußert, dass die Inflation rechtzeitig und nachhaltig auf die Zielmarke der Notenbank von 2,0 Prozent zurückgehen werde, hieß es in dem Protokoll des Treffens vom 6. und 7. März, das die EZB am Donnerstag veröffentlichte. Wenngleich es sinnvoll sei, neue Daten und Belege abzuwarten, spreche immer mehr dafür, Zinssenkungen in Betracht zu ziehen.
Die EZB hatte im März wie schon auf den drei geldpolitischen Treffen zuvor die Zinsen konstant gehalten. Der Einlagensatz, den Geldhäuser bekommen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt damit weiter auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Laut Volkswirten macht das Protokoll klar, dass die EZB damit beginnt, sich für einen ersten Zinsschritt nach unten zu rüsten. "Das eben veröffentlichte Protokoll der März-Sitzung zeigt, dass die Option einer Zinssenkung auf dem Radarschirm der Zentralbank aufgetaucht ist," sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Ohne Weiteres werde sie aber nicht bei der Inflation Entwarnung geben.
Dem Protokoll zufolge verwiesen die Währungshüter bei ihren Beratungen auf die Zinssitzung am 6. Juni. "Es wurde hervorgehoben, dass dem EZB-Rat bis zur Juni-Sitzung zusätzlich zu den neuen Experten-Projektionen wesentlich mehr Daten und Informationen, insbesondere zur Lohndynamik, vorliegen würden", hieß es darin. Zur Zinssitzung in der kommenden Woche am 11. April lägen hingegen neue Informationen nur in einem deutlich begrenzteren Umfang vor. Und das mache es schwerer, bis dahin ausreichend Zuversicht hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Inflationsrückgangs zu gewinnen. Fragezeichen gebe es noch hinsichtlich der Preisentwicklung bei den Dienstleistungen. Der Ausblick für die Entwicklung der Löhne, der Gewinnmargen der Unternehmen sowie der Produktivität sei zudem unsicher.
INFLATION KOMMT EZB-ZIELMARKE NÄHER
Nach der März-Sitzung hatten eine Reihe von EZB-Währungshütern auf Veranstaltungen die Tür für einen möglichen ersten Schritt nach unten im Juni weit aufgestoßen. Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann sagte in einem am Mittwoch veröffentlichten Reuters-Interview, sollten es die Daten zulassen, werde dann eine Entscheidung getroffen. Die April-Sitzung sei hingegen nicht auf seinem Radarschirm, weil bis dahin zu wenig harte Daten vorlägen.
Die Inflation im Euro-Raum war zuletzt auf 2,4 Prozent im März gesunken von 2,6 Prozent im Februar - das EZB-Ziel rückt damit immer näher. Zudem gibt es hinsichtlich der Konjunktur im Euroraum erste zarte Erholungssignale. Das vom Finanzhaus S&P Global berechnete Barometer für die Euro-Zone legte im März binnen Monatsfrist um 1,1 Punkte auf 50,3 Zähler zu. Damit lag es erstmals seit Mai 2023 wieder über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die EZB achtet auf die Konjunkturentwicklung. Denn sie will tunlichst vermeiden, dass die Wirtschaft angesichts des geldpolitischen Straffungskurses in eine Rezession abgleitet.
(Bericht von Frank Siebelt; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)